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Dr. Hanns-Georg Heidecker ist eigentlich Radiologe. Seit Mitte Februar ist er für humedica in Haiti, allerdings nicht in Ausübung seiner ärztlichen Fähigkeiten, sondern als medizinischer Koordinator. Der Fokus seiner Arbeit liegt in der Planung und Umsetzung einer mobilen Prothesenwerkstatt. Wie er darüber hinaus hilft, wird in dem von ihm verfassten Bericht deutlich.

„Beim wöchentlichen Botschaftertreffen lernte ich das Ärzte-Ehepaar Bernardin kennen. Sie fragten mich nach Medikamenten für ihre Klinik im Stadtteil Pakos, in der mehrere hundert Patienten aus dem benachbarten Slum versorgt werden.

Das Viertel, in dem die Klinik steht, ist ein eher wohlhabendes Stadtteil von Port-au-Prince, der von der Zerstörung nur teilweise betroffen ist: einige Häuser und Grundstücksmauern sind total zerstört, andere sehen aus, wie neu gebaut. Westlich des Grundstücks dagegen ziehen sich schon teilweise befestigte Slumhütten die Hügel hinauf. Der Kontrast ist erschreckend.

Der haitianische Arzt Dr. Bernardin kennt einige der Leute, die in den Slums leben. Sein Grundstück wurde bisher glücklicherweise weitestgehend respektiert, aber um den Ärmsten der Armen eine medizinische Basisversorgung angedeihen zu lassen, haben sie für die kommende Zeit auf ihrem Grundstück eine unentgeltliche Klinik eingerichtet. Mit Medikamenten wollen wir sie dabei unterstützen.

Besonders ans Herz ging mir aber das Schicksal eines Jungen, den wir bei dem Besuch der Bernadins trafen. Bereits auf dem Hinweg zu ihnen fiel er uns auf, wie er da kurz vor dem Camp in einem notdürftigen Verschlag saß. Vier Eckstängelchen hielten ein mäßiges Dach in einem Meter Höhe. Die darüber gespannte Plastiktüte war genau in der Mitte, wo der Junge saß, zerrissen.

Während vor dem Jungen weitere Jugendliche Fußball spielten, saß er apathisch abseits und bewegte sich nicht. Die ganze Zeit saß er an unveränderter Stelle, in unveränderter Position da. Als wir ihn ansprachen, reagierte er nicht.

Auf seinem Körper saßen unglaublich viele Fliegen und um ihn herum lagen Styroporbehälter, in denen fertig gekochte Lebensmittel verteilt wurden. Um ihn verteilt lagen darüber hinaus noch drei dreckige Näpfe, die den Eindruck erweckten, er habe von anderen Personen ab und zu etwas Nahrung erhalten. Uns war zunächst nicht klar, was dem Jungen fehlt und wir verabschiedeten uns.“