Direkt zum Inhalt

Für den griechischen Philosophen und Mathematiker Thales von Milet war es das „Prinzip aller Dinge“, Leonardo da Vinci bezeichnete es als „Blut des Planeten“ und das Digitale Wörterbuch der Deutschen Sprache definiert es in gewohnter Nüchternheit als „farb-, geruch- und geschmacklose Flüssigkeit“. Gemeint ist nichts anderes als Wasser.

1,4 Milliarden Kubikkilometer gibt es davon auf unserer Erde. Das klingt nach einer Menge, doch nur rund drei Prozent davon sind Süßwasser, wovon wiederum nur ein Bruchteil für den Menschen zugänglich ist. Wasser – darin liegt eine gewisse Tragikomik – ist ein knappes Gut auf dem blauen Planeten.

Knappe Güter sind Sache des Marktes, melden sich umgehend die Ökonomen zu Wort und fordern mehr Privatisierung. Wasser ist Menschenrecht und keine x-beliebige Ware, empören sich Aktivisten und verlangen das Gegenteil. Ohne Wasser kein Leben, stellen die Biologen fest und gerade deswegen, ergänzen Hilfsorganisationen, sei es Aufgabe der Politik, dafür zu sorgen, dass auch jeder Zugang dazu hat.

Klimawissenschaftler prophezeien derweil eine Zunahme an Dürren und Überschwemmungen und Demographen verweisen auf das Wachstum der Weltbevölkerung. Politikwissenschaftler schließlich warnen vor Verteilungskonflikten in und zwischen Staaten, menetekeln gar über drohende Kriege um Wasser.

Unter dem (Ein-)Druck dieses Chors aus Stimmen und Stimmungen erklärte die Generalversammlung der Vereinten Nationen 2013 zum Internationalen Jahr der Zusammenarbeit im Wasserbereich. Ziel ist, auf die gewaltigen Herausforderungen der Menschheit in Fragen des Zugangs zu und der Verteilung von Wasser aufmerksam zu machen und das Bewusstsein dafür zu schärfen, dass „Zusammenarbeit im Bereich Wasser die Regel und nicht die Ausnahme ist und […] Auftakt sein kann für Zusammenarbeit in anderen Gesellschaftsbereichen“.

Diese Ziele sind hehr und richtig. Denn Kooperation im Wasserbereich ermöglicht nicht nur eine ökonomisch profitablere, sondern auch eine ökologisch nachhaltigere Verwendung der natürlichen Wasserressourcen. Darüber hinaus ist Wasser ein ständig schwelender Konfliktherd, Wasserzusammenarbeit dagegen ein Instrument, um Konflikte zu verhüten und Friedens- und Aussöhnungsprozesse zu initiieren.

Doch was eigentlich heißt Kooperation und wie weit soll sie gehen? Meint Kooperation auch, dass diejenigen, die den Überfluss gewohnt sind, kürzer treten zu Gunsten derjenigen, die nur den Mangel kennen? Oder endet sie dort, wo es an den liebgewonnenen Lebensstandard geht? Diese Fragen stellen sich mit eherner Dringlichkeit in einer Welt, in der die Ungerechtigkeit allgegenwärtig ist – auch und gerade wenn es um Wasser geht.

Denn während Wassermangel für die Sprudeltrinker, Wasserratten und Warmduscher des Westens längst zum Fremdwort geworden ist, ist er für Millionen von Menschen noch immer bittere Realität. Wasser ist Leben, sagt man. Und Wassermangel kostet Leben, mehr als 8.000 jeden Tag.

Doch was hat das mit uns zu tun? Macht es denn überhaupt einen Unterschied, wenn wir in Zukunft fünf Minuten kürzer duschen? Die Antwort lautet: Nein, jedenfalls keinen großen. Die paarundzwanzig Liter, die wir uns allmorgendlich über das Haupt fließen lassen, ließen sich ohnehin nicht ohne größeren Aufwand gen Sahara befördern. Man kann sich also ganz ohne schlechtes Gewissen an den Frühstückstisch setzen und sein Rührei mit Speck und einer Tasse Kaffee genießen. Doch dass man damit mehr Süßwasser verbraucht, als in drei normalgroße Badewannen passt, ist den wenigsten bewusst.

Reflexartig mag man einwenden, dass in eine Kaffeetasse doch nicht mehr als ein paar hundert Milliliter passen uns sich selbst mit dem saftigsten Speck nie und nimmer eine Badewanne füllen ließe. Doch wer so denkt, übersieht die wahren Herstellungskosten dieser Produkte. Denn auch Hühner und Schweine müssen trinken, Kaffee- und Futtermittelplantagen müssen bewässert und Transportmittel hergestellt und betrieben werden.

Virtuelles Wasser“, so nennt der Umweltgeograph John Anthony Allan die Gesamtheit des für die Produktion eines Gutes aufgewendeten Wassers. 140 Liter virtuelles Wasser benötigt man für die Herstellung der Tasse Kaffee, 200 Liter für das Ei und gut 240 Liter für die 50 Gramm Schweinespeck. Der Durchschnittsdeutsche verbraucht so pro Tag rund 4.000 bis 5.000 Liter Wasser.

Das Problem ist, dass Deutschland sehr viel virtuelles Wasser importieren muss und zwar häufig gerade aus jenen Ländern, die sowieso schon unter extremer Wasserknappheit zu leiden haben. Die Bundesrepublik ist trotz ihres Wasserreichtums nach den vereinigten Staaten von Amerika und Japan der drittgrößte Importeur von virtuellem Wasser; ein Armutszeugnis für das „Vorreiterland“ der wassersparenden Klospülung.

Wo also beginnt Zusammenarbeit? Sie beginnt beim Einzelnen und seinen Prioritäten. Wir entscheiden, ob (oder in welchen Mengen) wir Fleisch konsumieren wollen, dessen Herstellung Wasser verbraucht, das anderen zum Leben fehlt. Wir entscheiden, ob der kenianische Kleinbauer das wenige verfügbare Wasser zur Bewässerung seiner Felder bekommt oder die benachbarte Blumenplantage, die billige Rosen für den europäischen Markt produziert.

Wir entscheiden, ob wir unsere Aufmerksamkeit diesem Thema widmen möchten und unser Bewusstsein schärfen. Und wir entscheiden, ob wir unser Geld für Dinge ausgeben, die wir nur noch aus Gewohnheit mögen oder für Projekte, die anderen Menschen Dinge ermöglichen, an die wir uns längst gewöhnt haben. Zugang zu sauberem Trinkwasser etwa.

Geschätzte 443 Millionen Schultage entfallen pro Jahr aufgrund von schmutzwasserbedingten Krankheiten. Von den zigtausenden Menschenleben, die Cholera und andere Durchfallerkrankungen Woche für Woche fordern, ganz zu schweigen. Dabei gibt es neben einem veränderten Konsumverhalten viele Möglichkeiten, zu helfen.

Projekte wie das ">Ausheben von Brunnen in Äthiopien etwa, oder PAUL, eine tragbare Wasseraufbereitungsanlage. Was dabei Not tut, ist ein neues Verständnis von Zusammenarbeit, ein Verständnis, das sich nicht auf dem schönen Klang des Wortes ausruht. Zusammenarbeit beginnt immer auch bei einem Gefühl von Zusammengehörigkeit.

Und Solidarität ist, wenn aus diesem Gefühl echte Hilfe erwächst. Viel wäre gewonnen, wenn das Internationale Jahr der Wasserzusammenarbeit dazu seinen Beitrag leisten würde.