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Prof. Dr. Thomas Löscher ist Direktor der Abteilung für Infektions- und Tropenmedizin der Universitätsklinik München. Im Interview spricht er mit uns über die aktuelle Ebola-Epidemie in Westafrika und erklärt, weshalb sich die Krankheit so schnell verbreiten kann und welche Maßnahmen nun ergriffen werden müssen.

Lieber Herr Dr. Löscher, die Ebola-Epidemie in Westafrika breitet sich immer weiter aus. Es existiert jedoch weder eine ursächliche Therapie, noch eine Impfung gegen die Krankheit, Ebola ist also nicht behandelbar. Woran liegt das?

Zu Ebola wurde bis jetzt einfach noch wenig geforscht. Vor der aktuellen Epidemie gab es seit der Entdeckung des Virus 1976 insgesamt nur etwa 2.500 Ebola-Infizierte bei kleineren Ausbrüchen, die aber alle nicht diese Dimension hatten und sich in der Regel in sehr abgelegenen Gebieten wie im Süd Sudan oder im Kongo ereigneten. Und so war das ökonomische und wissenschaftliche Interesse daran natürlich begrenzt. Ebola war einfach nicht attraktiv genug für die Forschung.

Ein weiterer Grund, warum Ebola bis dato nur in wenigen Einrichtungen erforscht wurde und warum man das jetzt auch nicht schlagartig ändern kann, ist, dass der Erreger nur in Hochsicherheitslaboren erforscht werden kann. Davon gibt es weltweit vielleicht gerade einmal 25 Stück und es ist sehr teuer und aufwendig solche Einrichtungen aufzubauen und zu unterhalten.

Kann Infizierten dann überhaupt geholfen werden?

Ja, eine symptomatische Behandlung ist schon möglich. Es sterben ja auch nicht alle Ebola-Patienten. Alte Menschen oder Personen mit chronischen Erkrankungen haben eine sehr hohe Sterblichkeitsrate von bis zu 90 Prozent. Menschen die Ebola überstehen, sind, so wird im Moment zumindest angenommen, immun gegen eine erneute Infektion. Nach den derzeitigen Meldedaten beträgt die Sterblichkeit circa 50 Prozent. Da viele Fälle jedoch erst in den letzten Tagen erkrankt sind, wird die tatsächliche Sterberate wohl bis zu 70 Prozent ansteigen.

Der Uno-Sicherheitsrat hat die Ebola-Epidemie in Westafrika inzwischen als "Bedrohung für den Weltfrieden und die internationale Sicherheit" eingestuft. Warum ist Ebola gefährlicher als andere Infektionskrankheiten?

Nun, den Begriff „gefährlicher“ muss man hier natürlich in Anführungszeichen setzten. Von der Summe der Krankheitsfälle ist Ebola kein Vergleich zu HIV, Malaria oder Tuberkulose, wo jährlich Millionen erkranken. Aber wir haben es bei Ebola eben mit einer Krankheit mit einer extrem hohen Sterblichkeit zu tun, gegen die wir aktuell weder eine Behandlung, noch einen Impfstoff haben.

Warum konnte und kann sich Ebola so schnell verbreiten?

Wie viele andere Infektiologen habe ich nicht erwartet, dass Ebola einmal eine Epidemie wie diese verursacht. Der Virus ist eigentlich nicht hoch übertragbar und man infiziert sich ja nicht durch die Luft wie bei einem Grippevirus, sondern nur durch den direkten Kontakt mit Kranken.

Das Problem bei der aktuellen Epidemie ist die gesellschaftspolitische Lage der betroffenen Länder. Die jahrzehntelangen Bürgerkriege in Sierra Leone und Liberia, Armut und Korruption haben die öffentlichen und gesellschaftlichen Strukturen extrem geschwächt und das Vertrauen der Menschen in den Staat und seine Einrichtungen zerstört.

Diese Länder waren und sind überhaupt nicht in der Lage, alle Patienten abgesondert zu behandeln und alle Kontaktpersonen zu überwachen. Wenn in Liberia Kranke vor Hunger aus dem Krankhaus ausbrechen, sagt das schon viel. Hinzu kommt weit verbreitete Unwissenheit und Aberglaube, die die Aufklärung über Ebola behindern.

Auf diesem Boden war es also möglich, dass sich eine Krankheit, die sich eigentlich durch einfache Quarantänemaßnahmen eingrenzen lässt, so massiv ausbreiten konnte. Aber nicht nur nationale Kräfte sind gescheitert, auch internationale Organisationen haben die Lage völlig unterschätzt, weshalb in der jetzigen Situation rasche und umfangreiche internationale Hilfe erforderlich ist.

Wie kann eine weitere Ausbreitung der Epidemie verhindert werden?

Das Wichtigste ist, dass möglichst alle Patienten identifiziert und abgesondert behandelt werden und dass vor allem die Quarantäne eingehalten wird. Das Gemeinweisen muss dafür sorgen, dass alle Kontaktpersonen von Infizierten unter behördliche Aufsicht gestellt werden. Daneben müssen die Menschen der betroffenen Länder weiter über die Gefahr von Ebola aufgeklärt werden.

Stellt Ebola mittlerweile auch eine konkrete Gefahr für Europa dar?

Da sehe ich jetzt kein Problem. Erste Ebola-Infizierte wurden ja bereits nach Europa gebracht, und wir haben gesehen, dass die Schutzvorrichtungen in den deutschen und europäischen Einrichtungen so sicher sind, dass das Risiko einer Verbreitung nicht gegeben ist. Wenn überhaupt, besteht am ehesten ein gewisses Restrisiko für medizinisches Personal, insbesondere dann, wenn die Möglichkeit einer Infektion nicht in Betracht gezogen wird und keine entsprechenden Schutzmaßnahmen erfolgen.

Und was passiert, wenn ein Patient mit dem Verdacht auf Ebola in Ihrem Institut erscheint?

Patienten mit begründetem Verdacht werden in einem speziellen Quarantäneraum bei uns im Haus von einem entsprechend geschützten Arzt befragt und untersucht. Wenn sich der Verdacht auf Ebola erhärtet, rufen wir das Münchner Kompetenzzentrum, das uns dann eine speziellen Kranken- und Transportwagen schickt, der komplett desinfiziert werden kann.

Der Patient kommt dann in diesem Wagen in die Sonderisolierstation des Klinikums Schwabing, wo er dann eingeschleust und unter entsprechenden Personalschutzmaßnahmenweiteruntersucht wird. Das Blut des Patienten wird dann per Sonderkurier nach Hamburg oder Marburg, die einzigen Hochsicherheitslabors in Deutschland, geschickt. Bestätigt sich der Verdacht auf Ebola, bleibt der Patient weiterhin in Isolationsbehandlung bis er die Krankheit übersteht oder leider eben auch verstirbt. Anschließend werden die Behandlungsräume wieder komplett desinfiziert.

Vielen Dank für die interessanten Einblicke. Wir wünschen Ihnen für Ihre Arbeit und Ihr weiteres Wirken alles Gute.

Liebe Freunde und Förderer, das humedica-Team arbeitet weiterhin unter Hochdruck an der Umsetzung von Hilfsmaßnahmen für das besonders betroffene Land Liberia. Bitte unterstützen Sie dieses Engagement mit einer wertvollen Spende. Vielen Dank!

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Die Hilfe von humedica in Liberia wird unterstützt vom Auswärtigen Amt der Bundesrepublik Deutschland, action medeor e. V., BILD hilft e. V. „Ein Herz für Kinder“, Medical Teams International (MTI), Flughafen München. Herzlichen Dank allen institutionellen und privaten Förderern.