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Seit fünf Jahren engagiert sich humedica inzwischen für die Kara, einem abgeschieden lebenden Volksstamm im Süden Äthiopiens: Zuerst mit dem regelmäßigen Einsatz deutscher Ärzteteams, seit 2016 zusätzlich mit einer kleinen Klinik, die den Menschen eine dauerhafte medizinische Anlaufstation bietet.

Vor wenigen Wochen reiste Intensivkrankenschwester und humedica-Einsatzkraft Brigitte Nieberlein mit einem Team zu den Kara, um kranke und verletzte Stammesmitglieder medizinisch zu versorgen. Ihr persönlicher Rückblick verrät, wie diese Hilfe abseits der modernen Zivilisation funktionieren kann:

„Obwohl die Teams der vorherigen Einsätze bereits eindrücklich von ihrer Zeit im Süden Äthiopiens berichtet hatten, war ich sehr gespannt, was mich beim Stamm der Kara erwarten würde. Außerdem war es mein erster Afrikaaufenthalt überhaupt! Dank der roten humedica-Westen finde ich die anderen Mitglieder meines Frauen-Power-Teams ohne Probleme im Gewühl des Istanbuler Flughafens. Von dort geht es für uns gemeinsam weiter nach Addis Abeba und von dort in einer Zweitagesreise per Geländewagen weiter in die abgelegene Omo-Region im Süden des Landes.

Mit jedem gefahrenen Kilometer lässt unsere Anspannung nach. Die Landschaft, die an unseren Autofenstern vorbeizieht, hilft mir und den anderen anzukommen. Wir durchqueren fruchtbares Ackerland, Berge mit Terrassenanbau und große Weiten mit atemberaubenden Panoramaaussichten. Je weiter wir in den Süden gelangen, desto karger und trockener wird die Landschaft. Überall sind Ziegen- und Rinderherden unterwegs, häufig laufen oder stehen sie auch direkt auf den Straßen. Am zweiten Tag unserer Fahrt werden die Straßen zu Pisten und über viele Stunden fahren wir nur durch Buschland und Steppe. Jetzt ist es richtig heiß!

Es ist eine fremde Welt, die uns vorübergehend die Zeit vergessen lässt, bis mitten in der Landschaft plötzlich und völlig unvermittelt ein Hinweisschild zum humedica-Projekt auftaucht. Schlagartig erinnern wir uns wieder, warum wir hier sind. Nach einer weiteren Stunde Fahrt erreichen wir mit dem kleinen Dorf Dus auch unser Ziel. Ich fühle mich beinahe wie am Ende der Welt, wenn vor uns nicht eine neue Klinik stehen würde.

Die abenteuerlichen Übernachtungen in Zelten gehören damit der Vergangenheit an, denn auf dem neu eingerichteten Klinikgelände gibt es für uns Zimmer mit richtigen Betten und sogar ein Waschhaus mit Dusche und Toilette. Luxus in der Steppe, der von dem herzlichen Empfang des lokalen Teams umrahmt wird. Das Grundstück der Klinik wird vom Omo-Fluss begrenzt. Sein niedriger Wasserstand ist erschreckend und das ufer-nahe Schwemmland, das von den Kara als Anbaufläche genutzt wird, ist trocken und rar.

In den folgenden Tagen fahren wir mit unseren Geländewägen in entferntere Siedlungen und Dörfer, um Kranke und Verletzte im Rahmen unserer mobilen Kliniken zu behandeln. Dass die Menschen hier noch völlig isoliert vom Rest der Welt und so unzivilisiert und einfach leben, hat mich nachhaltig beeindruckt. Unsere medizinische Hilfe ist sehr willkommen, was vor allem an unserer deutschen Koordinatorin Trudy liegt, die seit einem Jahr dauerhaft hier lebt. Durch den Aufbau grundlegender Strukturen hat sie erreicht, dass die Menschen weniger Berührungsängste haben und sich von uns weißen Medizinern behandeln lassen.

Wir arbeiten in den leeren Räumen einer kleinen Schule, unter schattigen Bäumen oder auf freien Feldern. Für mich persönlich war diese Improvisation bei der Arbeit die eigentliche Herausforderung unserer Hilfe. Unsere Patienten leiden häufig an den Folgen der aus der Dürre resultierenden Mangelernährung. Es fehlt an Vitaminen und sauberem Trinkwasser und so behandeln wir viele Magen-Darm-Infekte, Augeninfektionen, Lungenentzündungen, sowie Haut- und Wurmerkrankungen. Malariatests stehen ebenfalls auf unserer To-do-Liste.

Natürlich engagieren wir uns auch direkt in der neuen humedica-Klinik. Gemeinsam mit dem lokalen Personal richten wir die Apotheke und die Behandlungsräume ein, so dass sie dort nun gut und sinnvoll arbeiten können. Die Ärztinnen in unserem Team haben außerdem erste Trainings mit den motivierten lokalen Krankenschwestern absolviert und sie auf das selbstständige Arbeiten vorbereitet. Der Grundstein für eine bessere Versorgung der Region ist durch die Klinik auf jeden Fall gelegt und ermöglicht den Menschen eine dauerhafte Anlaufstelle für eine basismedizinische Versorgung.

Mir persönlich hat der Einsatz einmal mehr gezeigt, was mit relativ bescheidenen Mitteln alles möglich ist. Nun gilt es, das Kara-Projekt durch regelmäßige Betreuung und Schulung des lokalen Personals weiter auf Erfolgskurs zu halten. Unser gemeinsamer Wunsch, die medizinische Versorgung langfristig zu verbessern, wird hoffentlich durch ausreichend landwirtschaftliche Hilfe und genügend Wasser begleitet. Ein ambitioniertes Ziel, das ich am liebsten durch meinen persönlichen Wunsch, in ein bis zwei Jahren erneut zu den Kara zu reisen, unterstützen möchte.“