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Überbelegt, unzureichend versorgt und oft ohne Anklage oder Rechtsprechung: In vielen Ländern sind die Lebensbedingungen von Gefängnisinsassen noch immer erschreckend. Um diesen Menschen eine medizinische Versorgung zu ermöglichen und ihnen zu zeigen, dass sie nicht vergessen sind, entsendet humedica mehrmals im Jahr ein Einsatzteam in unterversorgte Projektländer.

Zuletzt führte diese Form der Hilfe ein humedica-Team in den Togo, wo zehn ehrenamtliche Helfer in verschiedenen Gefängnissen eine wichtige Versorgung leisten konnten. Pflegerin und Teammitglied Roswitha Märkle hat in ihrem persönlichen Rückblick festgehalten, warum dieser Einsatz traurig macht und weshalb sie die Hoffnung trotzdem nicht aufgibt:

„Obwohl unser Gefängniseinsatz in Togo schon einige Wochen zurückliegt, ist mir vieles doch noch sehr präsent und mich beschäftigen die schlimmen Bedingungen, unter denen die Gefängnisinsassen dort leben müssen. Wie wohl den meisten Afrika-Kennern bekannt, ist es mitunter hilfreich, wenn man bei einem Aufenthalt an manchen Ecken des Kontinents über eine hohe Flexibilität und ein gewisses Improvisationsvermögen verfügt. So verlief auch für unser Team von humedica, das aus fünf Ärzten, einer Zahnärztin, drei Krankenschwestern und einem Pfleger bestand, beinahe jeder Tag anders als ursprünglich geplant.

Bereits der Hinflug zwang uns zu einem unerwarteten 24-Stunden-Aufenthalt in Lissabon. Endlich angekommen, sollte der erste Einsatztag in Togo dann ganz im Norden des Landes beginnen. Doch wegen Demonstrationen mit vielen Straßensperren und gewalttätigen Auseinandersetzungen mit mehreren Todesopfern, besuchten wir aus Sicherheitsgründen ein Gefängnis nahe der Hauptstadt Lomé. Zum Glück waren wir in der guten Obhut von Pastor Martin und Eric, dem Mitarbeiter unserer Partnerorganisation Prison Fellowship, die sich während des gesamten Einsatzes sehr engagiert um unsere Sicherheit und unser Wohlergehen kümmerten.

Obwohl uns also durch den verpassten Anschlussflug und die brisante politische Lage zwei Einsatztage verloren gingen, konnten wir doch neun Gefängnisse im ganzen Land aufsuchen und dort medizinische Hilfe leisten. Außer einem neu erbauten, großen und beeindruckenden Vorzeigegefängnis in der Stadt Kpalimé, boten sich uns überwiegend erschütternde Zustände. Die Bedingungen waren so menschenunwürdig und inhuman, dass sie das Vorstellungsvermögen eines Europäers übersteigen. In einem der von uns besuchten Gefängnisse, gab es für alle 417 Gefangenen nur eine Dusche, eine Toilette und gerade einmal eine Mahlzeit am Tag. In zwanzig Quadratmeter großen Zellen verbringen teilweise 55 Menschen die Nacht! Nicht verwunderlich, dass sich unter diesem Umständen neben anderen Leiden besonders Hautkrankheiten wie Pilze und die Krätze auf alle Insassen übertragen.

Durch die von humedica mitgelieferten Materialien hatten wir die Möglichkeit, in den am schlimmsten betroffenen Gefängnissen alle erforderlichen Gegenmaßnahmen zu ergreifen, um die Ausbreitung einzudämmen. Alle Häftlinge erhielten orale Krätze-Mittel sowie neue Kleidung. Außerdem wurden die geräumten Zellen mit entsprechenden Mitteln ausgesprüht und die noch vorhandene Kleidung luftdicht verpackt.

Die von uns behandelten Gefangenen waren ohne Ausnahme freundlich und dankbar. Ich war froh, mich mit ihnen auf Französisch unterhalten zu können, so viel oder wenig dies bei dem Andrang an unserer Medikamentenausgabe eben möglich war. Manchmal reichten schon ein „Gute Besserung“ um ein „Dankeschön“ und ein Lächeln zu bekommen. Als ich einen freundlichen 72-jährigen Mann fragte, wie lange er denn schon im Gefängnis sei und wann er diesen Ort verlassen dürfe, erfuhr ich, dass er bereits fünf Jahre dort verbracht hat und seine Entlassung im kommendem Januar ansteht. Meine freudige Reaktion auf seine baldige Entlassung teilten dann laut hörbar alle umstehenden Mithäftlinge.

Ich erfuhr aber auch von einem 74-Jährigen, der sich bereits seit 15 Jahre dort befindet und noch weitere fünf Jahre anstehen. Da frage ich mich dann, wie man so etwas nur überstehen kann. Offensichtlich finden viele Insassen große Hilfe im Glauben und manche fragten uns sogar nach Bibeln. Eric setzte diesen Punkt gleich auf seine to-do Liste und versicherte, er würde versuchen dieser Bitte nachzukommen.

Neben so vielen bedrückenden und teils erschütternden Tatsachen, gab es aber auch jeden Tag sehr viele schöne Momente. Es war toll mitzuerleben, wie fröhlich plötzlich die Stimmung wurde, wenn Eric nach seiner Begrüßungsansprache gestenreich ein Lied anstimmte. Mit unüberhörbarem Vergnügen und strahlenden Gesichtern sangen und gestikulierten alle Anwesenden inklusive uns selbst, egal ob jung oder alt.

Wenn ich nun aber Berichte von früheren Hilfseinsätzen in togolesischen Gefängnissen lese, stimmt es mich traurig. An den teilweise wirklich katastrophalen Zuständen, mit einer mitunter 400 prozentigen Überbelegung, hat sich trotz der vielen Bemühungen durch Organisationen wie Prison Fellowship und humedica kaum etwas verbessert. Doch da humedica weitere Gefängniseinsätze in Togo plant, gebe ich die Hoffnung nicht auf, dass die Bedingungen für die Häftlinge dort irgendwann erträglicher werden.“