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Flüchtling sein - worüber viel geschrieben und gesprochen wird, können sich doch nur die Menschen wirklich vorstellen, die durch unterschiedliche Umstände aus ihrer Heimat vertrieben wurden. Inwiefern man es sich überhaupt vorstellen möchte, ist eine andere Frage.

Ihre Strapazen sind schwer nachzuvollziehen. Die Gefühle, persönlich Erlebtes und die Gedanken geflohener Menschen sind dabei noch tiefer in ihrem Inneren vergraben. Gleichzeitig rückt in der Öffentlichkeit das, was Einzelne gesehen und erlebt haben, bei der hohen Anzahl an Flüchtlingen in den Hintergrund.

Erschreckende Zahlen des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen zeigen, dass sich im vergangenen Jahr 43,7 Millionen Kinder, Frauen und Männer auf der Flucht befanden. Geflohen vor politischen Auseinandersetzungen, vor umweltbedingten Notzuständen, vor allgemeiner Armut oder Naturkatastrophen. Und diese Zahlen erfassen noch nicht die massiven Flüchtlingsströme am Horn von Afrika, Syrien oder Libyen diesen Jahres.

Getnet Tache Gebrewold ist einer dieser 43,7 Millionen Menschen, deren Leben - bedroht oder ohne Perspektive - ausschließlich durch eine Flucht gerettet werden konnte. Eine Flucht nach vorne, die viele Hindernisse und Herausforderungen mit sich brachte.

Wir möchten Ihnen an dieser Stelle die Geschichte des jungen Getnet erzählen, der den Millionen Flüchtlingen weltweit ein Gesicht gibt. Seine Geschichte ist keine typische Geschichte, aber dennoch typisch für Millionen anderer Menschen, die unsere Hilfe brauchen.

"Ich hatte doch die Verantwortung"

Getnet ist ein 27 Jahre junger Mann, dessen Erfahrungen für ein ganzes Leben ausreichen. Am 21. September dieses Jahres erreichte der Äthiopier mit dem Zug deutschen Boden. Nach knapp drei Jahren Strapazen, Angst und schrecklichen Erlebnissen kam er in dem Land an, von dem er sich bei seinem Weggang aus Addis Abeba, der Hauptstadt seines Heimatlandes, eine bessere Zukunft erhoffte.

Nachdem er Schule und Ausbildung beendet hatte, arbeitete Getnet zwei Jahre im Bankwesen etwas außerhalb von Addis Abeba. Er verlor diese Arbeit allerdings und in seiner jungen, eventuell auch etwas naiv „afrikanischen“ Denkweise, wie er rückblickend selber sagt, wollte er weggehen, um mehr zu erreichen. Die einzige Chance, überhaupt etwas zu erreichen.

Ich musste für meine Mutter und meine Schwester weggehen, um sie versorgen zu können“, berichtet er am Tag seiner Ankunft in Deutschland. „Ich bin weggegangen, um ihnen zu helfen und im Ausland Geld zu verdienen, das ich ihnen zukommen lassen kann. Ich habe ihnen gegenüber doch eine Verantwortung.“ Getnets Mutter ist krank, seine jüngere Schwester kümmert sich um sie, hat aber nach der Ausbildung noch keine Arbeit gefunden.

Das böse Erwachen aus dem bis dahin gelebten Traum des besseren Lebens kam für Getnet bereits kurze Zeit nach seinem Aufbruch, im Sudan. Mit 29 anderen Flüchtlingen ging es in einem kleinen Fahrzeug durch die Sahara. Er hätte noch Glück gehabt, sagt Getnet, denn andere säßen wie Vieh gepfercht mit 300 anderen Flüchtlingen in einem Truck.

Das Ziel sollte Tripolis in Libyen sein. Allerdings kam es anders, denn die Personen, die diese Fahrt organisiert hatten, wollten auf einmal mehr Geld. Weiterfahren würden sie erst, wenn die Mitfahrer zahlen.

Trinkwasser gab es nicht, stattdessen wurde Motoröl und Benzin gereicht. Das knappe Essen wurde reduziert auf eine Scheibe Brot am Tag. „Sie sagten uns immer, wenn wir nicht zahlen, müssten wir in der Wüste bleiben. Das Schlimmste daran war, dass wir nichts zu Trinken hatten.“ Genügend der anderen Mitfahrenden waren nicht, so wie in Getnets Fall, aus großen Armut geflüchtet und konnten über Verwandte und Freunde die geforderte Summe heranschaffen lassen.

So ging die Fahrt weiter, viele seiner Weggefährten starben aufgrund der Anstrengungen, Dehydration oder Krankheiten. Unfälle standen beinahe auf der Tagesordnung. Was den jungen Mann nicht verzweifeln ließ? „Ich konnte ja nichts ändern, mitten in der Wüste. Ich konnte nur warten, beten und hoffen.

Dieser Umgang mit den Anstrengungen zahlte sich aus und angekommen in Tripolis, fand Getnet Arbeit als Putzkraft in einem Krankenhaus. Als allerdings Anfang des Jahres 2011 politische Unruhen vielerorts zu gewalttätigen Ausschreitungen führten, war auch dies kein Ort der Zuflucht mehr. Und das Geld reichte auch nicht für seinen Traum aus, seine Familie versorgen zu können.

Durch Evakuierungsmaßnahmen der Kirche kam Getnet etwas mehr als zwei Jahre nach Verlassen seiner Heimat und seiner Familie nach Italien. „Unsere Fingerabdrücke wurden genommen und wir wurden zunächst in ein Lager für Personen gebracht, die nach Italien geflüchtet sind und sich in Sicherheit gebracht haben. Mit der Abgabe der Fingerabdrücke war ich verpflichtet, in Italien zu bleiben“, berichtet der Äthiopier.

Gemeinsam mit zwölf anderen Männern wurde ich zunächst für zwei Wochen in einem Container nahe des Flughafens untergebracht. Wir bekamen Essen und Trinken und nachdem wir als Flüchtlinge registriert worden waren, bekamen wir zu siebt eine Unterkunft im Camp. Später konnte er in die Nähe von Florenz ziehen.“

Getnet lebte drei Monate mit Flüchtlingen aus Afghanistan und Eritrea bei Florenz. Eine italienische Hilfsorganisation hatte einen Italienischlehrer angestellt, der Getnet und vielen weiteren der Wohngemeinschaften aus Flüchtlingen Sprachunterricht gab. Als Flüchtling standen ihm im Monat 140 Euro zu, die er teils als Bargeld, teils als Einkaufsmarken ausgehändigt bekam.

Um aus dem Ankunftsland, in dem man als Flüchtling registriert und vermerkt wird, ausreisen zu dürfen, muss eine Aufenthaltserlaubnis erteilt und gesonderte Formalien erledigt werden. Nach etwa vier Monaten auf italienischem Boden hat Getnet diese Papiere bekommen. Nun ist es ihm erlaubt, für fünf Jahre in Italien zu bleiben. Er darf nun auch frei innerhalb der EU-Staaten reisen, sich allerdings ohne Arbeitserlaubnis in jedem der Länder lediglich drei Monate aufhalten.

Was sein größter Wunsch ist? „Ich bemühe mich gerade um die Arbeitserlaubnis in Deutschland. Ich möchte Geld verdienen, um es meiner Familie schicken zu können.“

Wenn er einen Wunsch frei hätte, mit dem er sich selber einen ganz persönlichen Traum erfüllen könnte, was er sich dann wünschen würde? Er bräuchte nichts für sich, antwortet er müde, er wolle nur dass es seiner alleinerziehenden Mutter und seiner Schwester gut gehe.

Hoffnung geben

Das Motto des diesjährigen Weltflüchtlingstages lautete: "One refugee without hope - is too many", „Ein Flüchtling ohne Hoffnung - ist einer zuviel“. Für Getnet beginnt nach seiner Flucht die Zeit der Hoffnung. Hoffnung darauf, dass sich die Sorgen um seine Familie lindern werden und er die Anstrengungen nicht umsonst auf sich genommen hat.

Um mehr Frauen und Männern wie Getnet Hoffnung zurückgeben zu können, engagiert sich humedica am Horn von Afrika mit nachhaltigen Projekten sowohl in den Flüchtlingslagern als auch in den umliegenden Dörfern, deren Bewohner ebenfalls mit Dürre und Hunger zu kämpfen haben.

Um eine Zukunft mit Perspektive zu erarbeiten, ist humedica auch gemeinsam mit Partnern in Italien tätig, wo aktuelle Planungen für nachhaltige Projekte auf Sizilien laufen. Ob die Menschen aufgrund eines Krieges geflohen sind, sie von einer Naturkatastrophe oder Armut in die Flucht gerieben wurden, spielt dabei keine Rolle.

Denn eines haben all die Menschen gemeinsam: ihre Heimat steht für eine wie auch immer geartete Bedrohung, die so stark ist, dass sie keine andere Möglichkeit sehen, als zu fliehen. Ein Flüchtling ohne Hoffnung ist einer zu viel. Bitte helfen Sie uns dabei, beim Nächsten anzufangen und Hoffnung zu geben.

Neben der aktuell laufenden Hilfsmaßnahmen am Horn von Afrika bitten wir Sie auch herzlich darum, gemeinsam mit uns in Italien dafür einzustehen, den Menschen Hoffnung zu geben.

humedica e.V.
Stichwort „Hungerhilfe Afrika
Konto 47 47
BLZ 734 500 00
Sparkasse Kaufbeuren

Vielen Dank!