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Vier Wochen ist es nun her, dass ganze Landabschnitte Südpakistans durch einen heftigen Monsunregen überflutet wurden. Besonders schwer sind die beiden Provinzen Sindh und Baluchistan betroffen. Tag und Nacht sind die Mitarbeiter von humedica im Einsatz, um den Flüchtlingen zu helfen. In seinem aktuellen Tagebucheintrag berichtet Koordinator Nils Stilke von der ersten Hilfsgüterverteilung und seinen persönlichen Eindrücken.

19.07.07, 22.30 Uhr, Shadadkot

Tausende Familien leben seit Wochen unter freien Himmel auf Hügeln und höher gelegenen Strassen, um vor den Wassermassen in Sicherheit zu sein. Tagsüber brennt die Sonne mit mehr als 50 Grad im Schatten auf die Köpfe der Betroffenen - besonders Kinder und ältere Menschen leiden sehr darunter. Es gibt keine einzige Toilette oder Dusche. Sie waschen sich und ihre Kleidung in schmutzigen Tümpeln, Seife ist hier ein Fremdwort. Es stinkt nach Müllresten und Fäkalien, die sich mit dem umliegenden Wasser vermischt haben. Einige Kinder laufen nackt herum, andere Flüchtlinge habe sich ein Stofffetzen umgebunden, da sie ihre Kleidung auf der Flucht verloren haben. Es mangelt nicht nur an Kleidung, sondern auch an sauberem Trinkwasser, Essen und medizinischer Versorgung. Malaria breitet sich hier rasch aus; Dehydrierung, Fieber und Hautkrankheiten sind Folgen der unhygienischen Lebensweise. Der Wasserstand von einst drei Meter sinkt zwar, es werden allerdings weitere Regenfälle erwartet, die zu einem erneuten Anstieg des Pegels führen könnten.

Finstere Blicke der Flüchtlinge beobachten mich bei meinem Besuch im überschwemmten Gebiet. Ich kann Hoffnungslosigkeit, Trauer und Angst, aber auch Misstrauen und Hass in ihren Augen lesen. Viele Kinder weinen und schauen mich traurig an. Besonders die jungen Frauen haben es schwer, sich unter diesen Unständen in der stark islamischen und traditionellen Gegend zu verstecken. Sie brauchen einen Unterstand, wo sie sich aufhalten können, um nicht von fremden Männern gesehen zu werden. Viele dieser Menschen sehen zum ersten Mal in ihrem Leben einen Ausländer. Ich denke, dass wir mit unserer Hilfe ein gutes Zeichen setzen können und viele Vorurteile gegenüber der westlichen Welt zumindest bei dem einen oder anderen in Frage stellen. Mir werden Zettel zu gesteckt, auf denen geschrieben steht: "We are poor. Please help me, we need food and a shelter." Eine ältere Frau kommt auf mich zu, sie hat Tränen in den Augen und fleht mich an, ihren Kindern zu helfen. Sie zeigt auf ihren verbliebenen Besitz, zwei Betten aus Bambus, die sie zu einem Unterstand aufgestellt hat, um im Schatten sitzen zu können.

Der Tag der Verteilung ist gekommen: Bambustangen, Baumstämme, Plastikplanen, Schnüre und Strohwände wurden über 14 Stunden aus Karaschi angeliefert, um sie an der Provinzgrenze zwischen Sindh und Baluchistan, nahe Shadadkot, an 300 arme Dorffamilien zu verteilen. Unser Team ist sehr darauf bedacht, dass alle Materialien bei den Menschen ankommen, die unsere Hilfe am nötigsten brauchen. Das pakistanische Militär war sehr kooperativ und unterstützte uns bei der Organisation der Verteilung.

Die Menschen, denen wir helfen konnten, waren unbeschreiblich dankbar für die dringend benötigte Unterstützung. Immer wieder kamen Flüchtlinge auf mich zu und bedankten sich. Deutschland sei großartig, wir seien gute Menschen, lobten sie uns und sagten, dass ihnen mit dieser Hilfe für die nächsten Monate geholfen sei. Jetzt brauchen ihre Kinder nicht mehr in der Sonne sitzen und seien vor Regen geschützt.

Wir werden Nils Stilkes Tagebucheinträge zum Hilfseinsatz auch weiterhin an dieser Stelle veröffentlichen. Wenn Sie unseren Nothilfe-Einsatz in Pakistan unterstützen möchten, klicken Sie bitte hier. Vielen herzlichen Dank.