Direkt zum Inhalt

Angst ist es, welche die syrischen Familien auf ihrer Flucht in die Nachbarländer wie den Libanon vorantreibt: Angst vor dem nächsten Bombenanschlag auf ihr Wohnviertel oder einer Granate. Angst vor Verfolgung und Gewalt. Angst davor, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein. Kurz: Angst um ihr Leben und ihre Lieben.

Die junge Ärztin Hanna Bonnyai machte sich ebenfalls auf den Weg in den Libanon. Sie nennt sich selbst glücklich, da ihr Aufbruch in das Fremde nicht aufgrund von Angst geschah. Vielmehr trat sie ihren Einsatz mit humedica an, um Nächstenliebe zu leben und unverschuldet in Not geratenen Menschen Mut zu machen.

„Beim Anflug auf Frankfurt am Tag meiner Rückkehr kullern die Tränen mein Gesicht herunter. Vor Traurigkeit und Glück.

Die vergangenen vier Wochen bin ich mehr als 300 Familien begegnet, die aus ihrer syrischen Heimat flüchten mussten und nun im Libanon irgendwie überleben. Unter Umständen, die sich viele von uns zum Glück nicht vorstellen müssen. Aus diesen Lebensumständen kann ich zum Glück zurück nach Deutschland, nach Hause kommen. In ein Land, das seit über 70 Jahren keinen Krieg kennt.

Ich habe unverdient das Privileg, einen deutschen Pass zu besitzen, damit die deutsche Staatsbürgerschaft und viele Vorteile: Freiheit, Sicherheit, keinen Krieg, immer genügend zu essen, ein warmes Bett und warmes Wasser, eine Krankenversicherung. Und sollte ich das mal alles nicht haben, so springt der deutsche Staat für mich ein.

Ich habe auch die Nachrichten verfolgt und fragte mich: Was kann ich dazu beitragen, dass das Leid der syrischen Menschen gemindert wird? Was ist meine Verantwortung?

Dann erhielt ich zwei Mails von humedica mit der dringenden Bitte um Ärzte für einen Einsatz unter syrischen Flüchtlingen im Libanon. Ich zögerte ein paar Tage, dann redete mir eine Freundin noch mal gut zu, und ich meldete mich für den Einsatz.

Im Flugzeug lerne ich Rebekka kennen, eine Kinderkrankenschwester, die schon in mehreren Einsätzen war. Ich bin froh. So habe ich eine erfahrene Mitstreiterin und eine, die sich mit Kindern sehr gut auskennt, was ich ja von mir nicht sagen kann.

Nach vier kurzen Stunden Flug kommen wir in Beirut an. Ich bin viel zu warm angezogen. Aber ich fühle mich wohl und bin froh, wieder im Mittleren Osten zu sein, wenn mir auch etwas mulmig ist. Am Zoll werden wir zunächst abgefangen. Wir haben zwei Koffer voller Medikamente dabei. Diese müssen wir nun erklären.

Irgendwann kommt ein französisch sprechender Beamter vorbei, der uns zum Chef zitiert. Ich nehme beide Koffer und gehe zum Zoll-Chef, der auch Französisch spricht. So bin ich umgeben von vier Libanesen und muss die Koffer öffnen.

Ich erkläre, wofür die Güter verwendet werden. Dass wir eine humanitäre Organisation sind und die Medikamente für unsere Arbeit wichtig. Zum Schluss verabschiedet mich der Beamte mit: „Soyez le bienvenu au Liban.“ Willkommen im Libanon - wie schön. Rebekka und ich werden von unserem brasilianischen Koordinator empfangen.

Am folgenden Tag geht es früh nach Zahle, der drittgrößten Stadt des Libanon, ziemlich in der Mitte des Landes, in der Bekaa-Ebene. Hier leben viele tausende Flüchtlinge in selbstgebauten Zelten. Gezählt hat sie noch keiner, denn sie sind nicht bei der UNHCR gemeldet. Zum Teil, weil viele Syrer seit Jahren jedes Jahr als Gastarbeiter in den Libanon kamen, zum Teil aus Angst.

Die Flüchtlingscamps werden meist von einigen bis zu mehr als einhundert Familien bewohnt. Diese Lager besuchen wir mit einer weiteren deutschen Ärztin und einem Pfleger, sowie einem Koordinator und zwei Übersetzern. Einer der Koordinatoren hat oft im vorhinein Kontakt mit den Vorstehenden der Camps aufgenommen, und so wussten sie, wann wir kamen.

Uns wird immer ein Zelt, häufig das des Campführers, als „Behandlungszimmer“ zur Verfügung gestellt. Viele kommen mit Erkältungen, Lungen- oder Hauterkrankungen, Diabetes, Bluthochdruck und Rückenschmerzen. Aber auch Kriegsverletzungen. Und manche kommen einfach nur zum Fernsehen.

Wir lernen Ali und Saleh, zwölf und zehn Jahre alt, kennen. Der Vater bringt sie zu uns, weil sie beide auf dem linken Ohr schlecht hören und Schmerzen haben. Ob wir ihnen nicht helfen könnten, Medikamente geben. Im Patientengespräch erzählen uns die Jungs, dass sie eine Bombenexplosion erlebt haben. Seitdem haben sie die Hörstörung.

Wir schauen den Jungs in die Ohren und müssen mit Erschrecken feststellen, dass die Trommelfelle zerstört sind. Wir können nichts machen, außer ihnen den Rat zu geben, die Ohren vor dem Eindringen von Flüssigkeit zu schützen. Trommelfelle können manchmal von alleine heilen, aber eine Entzündung des Innenohres muss verhindert werden.

Wir fragen uns oft was passiert, wenn der Winter vor der Zelttür steht. Die Zelte sind nicht isoliert, die Flüchtlinge schlafen auf dünnen Matratzen auf dem Boden. Strom gibt es, wenn überhaupt, nur stundenweise.“

Bitte helfen Sie mit Ihrer Spende den syrischen Flüchtlingen, dem hereinbrechenden Winter zu trotzen. Helfen Sie mit, die medizinische Versorgung weiterhin zu sichern. Tragen Sie bitte dieses Projekt, das dank der großzügigen Unterstützung des Auswärtigen Amtes der Bundesrepublik Deutschland begonnen, dank Ihnen fortgeführt werden kann:

humedica e. V.
Stichwort „Syrische Flüchtlinge
Konto 47 47
BLZ 734 500 00
Sparkasse Kaufbeuren

Lesen Sie in Kürze im zweiten der insgesamt drei Teile, auf welche Schicksale Hanna Bonnyai und das humedica-team im Norden trafen. Welche Begegnungen sie machten. Welche Schicksale die Ärztin bewegten.