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In regelmäßigen Abständen entsendet humedica mit Unterstützung der Else Kröner-Fresenius-Stiftung, ehrenamtliche Ärzteteams in den Südwesten Äthiopiens, wo der Volksstamm der Kara zuhause ist. Weitestgehend unberührt von der modernen Zivilisation lebend, haben seine Mitglieder kaum Zugang zu einer angemessenen medizinischen Versorgung. Durch die kontinuierliche Hilfe der humedica-Teams können Verletzungen versorgt und chronische Behandlungen angemessen behandelt werden.

Wie so ein Hilfseinsatz fernab einer modernen Umgebung funktioniert, berichtet unser ehrenamtlicher Arzt Michael Scholten in seinem aktuellen Einsatzblog.

Tag 19: Was bleibt?

Was bleibt uns nach diesen knapp drei Wochen Hilfseinsatz bei den Kara? Jeder in unserem Team wurde an unterschiedlichen Punkten getroffen, bewegt und auch verändert. Doch uns allen bleibt der große Dank, eine archaische, ursprüngliche Gesellschaftsform in direktem Kontakt kennengelernt zu haben, wie es einem als Tourist nie möglich wäre, und dabei vielen Menschen konkret geholfen zu haben. Ob die Ausgabe von Medikamenten, die Versorgung von Wunden oder Übungen und Schulungen: Alles hatte seinen Platz.

Ich spreche wohl für alle, wenn ich meinen Teamkollege zitiere, der so schön gesagt hat:

„Eine so gemeinschaftliche Teamarbeit vermisse ich in meinem Alltag, so eine große gegenseitige vertrauensvolle Bereicherung, auch bei gesundheitlich schwer betroffenen Menschen, will ich in meinen Alltag integrieren. Die Armut und Einfachheit der Menschen hier zeigt, dass weniger mehr ist und wie wichtig es ist, sich auf das Wesentliche zu besinnen.“

Ich habe in diesen drei Wochen sehr emotionale Momente erlebt und unsere täglichen Andachten haben uns immer wieder die eigene Endlichkeit, unsere Verantwortung gegenüber den Bedürftigen, sowie unseren Abhängigkeit von Gott gezeigt.

Das Aufeinandertreffen von ursprünglichen Welten und Zivilisationen, das es geradezu unmöglich macht, „die oberste Direktive" aus Star Trek zu befolgen, nämlich zu helfen ohne einzugreifen, zu verändern oder zu manipulieren, wurde hier beinahe Realität. Natürlich kann ich weder impfen noch operieren, ohne gleichzeitig meine eigenen Kulturimpulse zu hinterlassen, doch vielleicht war es eine Art sanfter Kompromiss, unsere modernen Sterilitätsprinzipien mit der Methode des Kara-Heilers zu verbinden. Auf diese Weise entstand große Anerkennung und Respekt auf beiden Seiten – tragende Prinzipien, die wir auch in unserem Arbeitsalltag zurück in der Heimat anwenden möchten.

Der Konflikt zwischen Ursprung und Moderne wird bei den Kara außerdem deutlich, indem sie zwar eine traditionelle Kleidung und Kultur pflegen, gleichzeitig aber ein Handy und eine automatische Waffe bei sich tragen.

Unser großer Dank gilt all den Unterstützern des Teams, wie der humedica-Zentrale in Deutschland, unseren verstehenden und ermutigenden Arbeitgebern und ganz besonders der so hervorragend und mit allem Herzblut für uns und das Projekt sorgenden humedica-Koordinatorin Hiltrud Ritter. Jedes Saatkorn bringt eine Frucht!

Tag 15: Lebensräume

Unser medizinischer humedica-Einsatz bei den Kara nähert sich dem Ende. Bisher konnten wir rund 1.000 Patienten behandeln. An einigen Orten waren wir sogar zweimal mit unserer mobilen Klinik im Einsatz und hatten so auch die Möglichkeit, einzelne Krankheitsverläufe bei Verletzungen oder Entzündungen zu betreuen.

Langsam werden wir auch etwas müde. Die Temperaturen, die mittags bis auf 40 Grad klettern, schaffen uns und wir hätten Lust, uns die ganze Zeit mit unserem lauwarmen Duschwasser abzukühlen. Doch das geht natürlich nicht.

In den nächsten zwei Tagen wollen wir noch etwas von der Camp-Unterkunft in das neue Klinikgebäude von humedica umziehen. Alles muss aufgeräumt und gereinigt werden, und so kehren wir schon gegen 16 Uhr von unseren täglichen Hilfseinsätzen zurück, wo wir fast immer mit einem Kaffee von der einheimischen Köchin erwartet werden. Hin und wieder denken wir nun auch schon an Zuhause. Wir freuen uns vor allem darauf, wieder frisches Obst und Gemüse essen zu können oder mal etwas Süßes zu naschen.

An die Krokodile hier haben wir uns gewöhnt und auch Affen und Geier gehören für uns inzwischen zum alltäglichen Bild. Es ist erstaunlich, wie unterschiedlich Lebensräume sein können. Hier bei den Kara scheinen Leben und Tod, Freude und Anstrengung viel näher beieinander zu liegen, als anderswo. Gleichzeitig gibt es hier auch viele Momente der Gemeinschaft, wie gemeinsames Singen und Lachen. Die Kara sind ein beeindruckendes Volk!

Tag 14: Highlights

In der vergangenen Woche gab es für unser Team viele Ereignisse, die von großer Bedeutung für die Arbeit hier bei den Kara in Äthiopien sind.

Besonders schön war die Schlüsselübergabe nach Abschluss der Bauarbeiten in der neuen humedica-Klinik in Dus. Bei der Klinik handelt es sich um ein Gebäude mit drei Behandlungszimmern und einer Apotheke, das im vergangenen Jahr von humedica und mit Unterstützung der Else-Kröner-Fresenius-Stiftung erbaut wurde und das den Kara in Zukunft eine permanente Anlaufstelle bei Krankheiten und Verletzungen bietet.

Neben den Klinikräumen gibt es in dem Gebäude auch ein kleines Personalwohnheim und Gästehaus, das nun auch der hiesigen humedica-Koordinatorin und Krankenschwester Hiltrud Ritter eine Unterkunft bietet. Ein echter Meilenstein, wenn man bedenkt, dass Hiltrud im gesamten letzten Jahr nur in einem Zelt bzw. einer termitengeschädigten Hütte geschlafen hat.

Ein weiteres Highlight dieser Woche war die erste Zusammenarbeit zwischen unserem Einsatzteam und dem Heiler der Kara, der bei ihnen immer wieder bei Zahnextraktionen und Knochenbelangen zum Einsatz kommt. Gemeinsam betreuten wir ein 12-jähriges Mädchen, das unter massiver Karies in einem Backenzahn litt. Weil Injektionen hier eine extreme Panik auslösen, hatten wir keine Chance, eine lokale Anästhesie durchzuführen und auch sonst hatten wir keine passenden Instrumente parat.

Allerdings konnten wir eine Kurznarkose ermöglichen, indem wir die Arbeitsmaterialen des Heilers entsprechend desinfizierten. Dieser entfernte den Backenzahn daraufhin in nur zehn Sekunden! Eine beeindruckende Leistung und nicht zuletzt ein großes Zeichen gegenseitiger Wertschätzung, das hoffentlich in der Verbesserung von Hygiene- und Gesundheitsmanagement mündet.

Während es jetzt gerade das erste Mal regnet, freut sich unser gesamtes Team über die positive Entwicklung der Hilfe, die wir hier erleben dürfen. Schließlich geht es nicht nur um Akuthilfe, sondern auch um die Etablierung einer selbstverantwortlichen Nachhaltigkeit.

Tag 12: Einkehrende Routine

Nun ist unser humedica-Einsatzteam bereits seit fast zwei Wochen bei den Kara in Äthiopien und hat während dieser Zeit alle drei Hauptsiedlungen des Volksstamms besucht, sowie zahlreiche Sprechstunden an zentral gelegenen Plätzen abgehalten.

Es ist fast schon Routine, die Jeeps zu beladen und in wechselnden Teams mit den Übersetzern auf den Matten Platz zu nehmen. Dabei gesellt sich immer wieder einmal die eine oder andere Ziege zu uns, um uns bei unserer Arbeit zu beobachten und auch die Kalaschnikow, das Statussymbol vieler Männer hier, ist ein allgegenwärtiger Bestandteil der Szenerie.

Dennoch fühlen wir uns in keiner Weise bedroht, sondern eher beschützt und die Behandlung unserer zahlreichen Patienten mit Infektionen, Verletzungen, Augen- und Hauterkrankungen sowie anderer Schmerzen geht gut voran.

Unsere Mahlzeiten hier bei den Kara bestehen grundsätzlich aus selbstgebackenem Fladenbrot, Reis, Nudeln oder Grießbrei. Die frischen Nahrungsmittel wie Bananen, Zwiebeln, Maracuja oder Kartoffeln sind aufgegessen und sonst gibt es hier kein Obst oder Gemüse. Obwohl ich bereits einmal Glück hatte und mit einem Kara einen Fisch im Omo-River fangen konnte.

Zu Trinken haben wir von den Temperaturen aufgewärmtes Wasser mit rund 30 Grad oder aber Kaffee mit Milch. Heute sorgt unsere wunderbare lokale Koordinatorin Trudy jedoch für ein Highlight und überrascht uns mit Cola und Limo aus einem nahegelegen Touristencamp.

Und auch an die hiesige Hygienesituation haben wir uns inzwischen gewöhnt: Wir haben gelernt mit einer Schöpfkelle und mit zwei bis vier Litern Wasser zu duschen und freuen uns inzwischen sogar darüber.

Es ist eben eine Reise mit leichtem Gepäck, nämlich mit dem, was wirklich wichtig ist.

Somit sende ich heute besinnliche Grüße aus Äthiopien und freue mich über jeden, der bei uns steht und uns unterstützt. Ich danke unseren Familien und Förderern in unserem beruflichen Alltag und kann jetzt schon sagen, dass wir innerlich reifer zurückkehren werden!

Tag 6: Ein gefahrvolles Leben

Inzwischen haben wir schon einige komplette Einsatztage hier bei den Kara hinter uns, an denen wir zwischen 80 und 125 Patienten am Tag behandeln konnten und es ist eine gewisse Routine eingetreten. Bei Unklarheiten beraten wir uns gegenseitig, sind aber alle auch immer wieder aufs Neue über die Krankheitsbilder schockiert, die man bei uns nur noch im Lehrbuch findet. Besonders die vielen Augenverletzungen und Tumore gehen uns an die Nieren.

Unser Team ist sich einig, dass es eine Aufgabe und einen Ruf an uns gibt, hier zu sein und zu arbeiten. Manchmal beten wir auch für unsere Patienten, denn wir wissen, dass unser medizinisches Wissen hier erstens nur ein Stückwerk und zweitens unter den gegebenen Umständen nicht ideal umsetzbar ist.

Manchmal wundern wir uns auch, dass die Kara nicht unter noch schwereren Krankheiten leiden, als wir sie hier erleben. Schließlich drohen von allen Seiten Gefahren. Ob von gewaltbereiten Menschen, der Natur oder der Umwelt.

So wurde vor neun Monaten hier zum Beispiel ein 12-jähriger Junge von einem Krokodil getötet. Oder dann ist da das Konsortium, das gerade einen Staudamm baut, dessen Folgen die gesamte Erntewirtschaft der Kara bedrohen.

Trotz all dieser Umstände leben die Einheimischen ein buntes und fröhliches Leben. Und auch unser Team freut sich, diesen Menschen zur Seite stehen zu dürfen und ihren Alltag um einige Sorgen ärmer zu machen.

Tag 5: Diagnoselisten

Wir sind nun seit einer Woche im Land und konnten schon zahlreiche medizinische Einsätze umsetzen. Unser Einsatzteam arbeitet hervorragend zusammen und wir freuen uns über die Harmonie und gegenseitige Bereicherung.

Wir arbeiten in fünf Teams zusammen, die viermal aus je einem Arzt und einem Übersetzer bestehen und sich einmal aus zwei Helfern für die Apotheke und das „Labor“ zusammensetzen, wo Malariatests und Urinuntersuchungen durchgeführt werden.

Um zu den Hilfsbedürftigen zu gelangen, fahren wir mit Jeeps in die Dörfer der Kara oder parken auch einmal mitten auf einem zentral gelegenen Feld, wo wir unsere Matten unter einen großen Baum auslegen. Wie erwartet, werden die Diagnoselisten vor allem von Malaria und Wurmerkrankungen, sowie Verletzungen, Schwangerschaftsbetreuung und Hauterkrankungen angeführt. Wir profitieren von unseren gegenseitigen Kompetenzen und dem großen Erfahrungsschatz der lokalen humedica-Koordinatorin Hiltrud Ritter. Hiltrud ist bereits seit elf Jahren immer wieder für humedica im Einsatz und leitet nun seit einem Jahr die Hilfsmaßnahmen für die Kara vor Ort.

Und ihre Arbeit trägt Früchte: Im Moment wird die Übergabe einer kleinen Gesundheitsstation vorbereitet, die sie mit humedica für die dauerhafte Versorgung der Menschen direkt am Rand der Kara Siedlung Dus erbauen konnte. Mit nur einem Jahr ist die Bauzeit für afrikanische Verhältnisse wirklich sehr kurz und ich glaube, hier werden das Wirken Gottes und sein besonderer Segen deutlich.

Mich persönlich schafft die Hitze von bis zu 40 Grad schon ziemlich, aber ich erlebe Sicherheit im Team und eine Bestätigung meines inneren Rufs, auch immer mal wieder in Afrika zu arbeiten. Obwohl es erstaunlich ist, wie schnell sich die Zivilisation dem Lebensraum der Kara nähert, bin ich froh um ihre „Nähe“. So konnten wir etwa zwei kranke Patientinnen mit unseren Jeeps in das nächste, etwa drei Stunden entfernte Krankenhaus transportieren. Ohne diese Möglichkeit, wären die beiden heute wohl nicht mehr am Leben.

Tag 4: Erste Einsätze

Die eintausend Kilometer Jeep-Strecke bis zum Lebensraum der Kara zogen sich wie erwartet über zwei Tage hin. Wir fuhren durch wechselnde Landschaften bis hin zu einem ariden Klima mit 38 Grad im Schatten bei unserer Ankunft. Noch am selben Abend wurden wir in das benachbarte Kara-Dorf zu einem komatösen Kind von circa zehn Jahren gerufen und begannen wegen des Verdachts auf eine zerebrale Malaria direkt mit einer Behandlung. In Deutschland wäre bei solch einem Fall die Intensivstation das Mindeste. Doch unsere Behandlung wirkte und wir durften erleben, wie das Kind am folgenden Tag bereits wieder die Augen öffnete und zu sprechen begann.

Noch bevor wir mit den eigentlichen ambulanten Arbeiten beginnen konnten, kamen ein weiterer Junge mit Gesichtsverletzungen nach einem Sturz von einem Baum, sowie eine Patientin mit einer schweren Schwangerschaftskomplikation hinzu. Wir freuten uns, dass wir helfen können: Jede Hilfe bewirkt eine kleine Lebensveränderung!

Das Heulen der Affen in unserem Camp ist unser nächtliches Schlaflied und zugleich lautstarker Wecker-Ersatz am Morgen. Für unsere Arbeit hier bei den Kara sind überwältigend viele Sachspenden von Kliniken und Kollegen zusammengekommen und so kämpfen wir uns weiter durch die Hitze und berichten – solange wir noch über Netz verfügen – über unseren Hilfseinsatz im Omo-Tal.

Tag 1: Vorfreude

Endlich ist es soweit: Der Countdown steht bei fünf vor zwölf, oder besser gesagt, es ist 21:30 Uhr und das gesamte humedica-Team für den Einsatz bei den Kara in Äthiopien steht am Gate des Frankfurter Flughafens und wird in die Maschine eingecheckt. Wir sehen uns hier das erste Mal, erkennen uns aber an unseren roten humedica-Westen und dem Strahlen in unseren Augen.

Die Koffer mit den nötigen Hilfsgütern und unsere persönlichen Rücksäcke sind bereits verladen. Wir sind zu sechst, haben einen langen Flug und eine noch längere Tour vor uns: Zwei Tage werden wir auf der Straße und Piste verbringen, bis wir die Flussschleife im Südwesten Äthiopiens, den Lebensraum der Kara, erreichen werden.

Diese Zeit in den zwei Geländewagen, sowie die darauf folgenden Wochen in den Zelten bei 30 bis 35 Grad im Schatten, werden uns sicherlich zusammenschweißen. Am Fluss waschen, das fällt aus: Krokodilalarm! Dafür gibt es Eimer. Die persönliche Hygiene wird also „ortsangepasst“ verlaufen.

Unser Team besteht aus mir, Dr. Michael Scholten (Orscholz), Dr. Andreas Beck (Würzburg), Dr. Annette Gann (Tübingen), Dr. Gerhard Gradl (Nürnberg), Heike Faßbender (Wermelskirchen) und Julia Weber (Balzhausen).

Freuen wir uns? Ja! Sind wir aufgeregt? Ja! Haben wir Angst? Nein! Geben wir unser Bestes? Ja!

Gemeinsam und mit Gottes Hilfe loszugehen und Menschen zu helfen, sie zu unterstützen und Grenzen zu überwinden, dazu ist dieser Flughafen geradezu ein Symbol. Dazu brauchen wir Sie, liebe Leserinnen und Leser, mit in unserem Boot. Wir freuen uns über Ihr Interesse an unserem Einsatz und Ihre Unterstützung.

Wir danken auf diesem Weg all unseren Unterstützern, den Kliniken, unseren Familien, den Spendern und den Projektmanagern im Hintergrund.

Sobald an unserem Zielort eine Datenverbindung besteht, berichten wir von unseren Erlebnissen vor Ort, so dass Sie einen unmittelbaren Einblick über unsere Hilfe für den Stamm der Kara erhalten.