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Das vierte Jahr nach dem schweren Erdbeben in Haiti hat begonnen und wir lassen die Ereignisse Revue passieren, die sich in dem schwer geschädigten Paradies inzwischen ereignet haben und welche Veränderungen und Fortschritte zu sehen sind. humedica-Geschäftsführer Wolfgang Groß war des öfteren am Ort, erst kürzlich wieder und lässt uns an seinen Eindrücken und persönlichen Erlebnissen teilhaben.

Vor wenigen Tagen jährte sich die schwere Erdbebenkatastrophe in Haiti zum dritten Mal. Du warst seit dem 12. Januar 2010 mehrfach in Haiti. Wie hat sich Deine emotionale Wahrnehmung dieser Katastrophe verändert?

Einerseits bewegt und beschäftigt mich natürlich immer wieder, wie langsam dort alles vorangeht, obwohl ich im Prinzip natürlich weiß, dass es schwierig ist, nach so einer schweren Katastrophe wieder Normalität herzustellen.

Es ist meist so, dass anfangs viele Organisationen engagiert sind, zu einem gewissen Zeitpunkt jedoch geht das Geld aus und ein Großteil zieht sich zurück. humedica zählt oft zu den Letzten, die dann noch da sind, weil wir uns mit entsprechenden, zweckgebundenen Spenden oder Zuwendungen an den Rehabilitations- und Wiederaufbaumaßnahmen in solchen Erdbebengebieten beteiligen.

Auch nach vielen Jahren in der Katastrophen- und Nothilfe bin ich immer noch berührt, wenn ich bei meinen Projektreisen Menschen - wie der Mutter, die ihr Kind verloren hat - begegne, die ganz persönlich betroffen sind und mir von ihrem Schicksal erzählen. Professionalität darf meines Erachtens nicht so weit gehen, dass die Hilfskräfte ihre Empathie für diejenigen verlieren, denen sie helfen wollen. Es darf aber natürlich nicht so weit kommen, dass das "mit-leiden" mich daran hindert, meine Arbeit zu machen. Das ist ein Balanceakt, bei dem mir mein christlicher Glaube hilft, richtig damit umzugehen.

Ich kann mich gut an eine Begegnung mit einer Familie aus unserem Patenschaftsprojekt erinnern, die ich bei meinem letzten Besuch im haitianischen Erdbebengebiet Ende November 2012 kennenlernte. Die beiden schulpflichtigen Söhne der Familie waren völlig verschlossen und schienen psychisch und auch physisch immer noch unter den Erlebnissen während des Erdbebens zu leiden und sicherlich auch unter den beengten Verhältnissen in der provisorischen Wohnung, die sich eigentlich noch im Rohbau befand, dunkel und feucht war.

Der eine Junge litt an einer Augenerkrankung und ich vereinbarte mit Jacqueson, unserem Koordinator für die Familienpatenschaften, dass er bei einem Augenarzt vorgestellt werden soll. Außerdem konnte ich der Familie Hoffnung auf eine baldige Veränderung ihrer prekären Wohnsituation geben. In Kürze wird humedica auf einem Grundstück, das der Familie zur Verfügung gestellt wurde, ein Haus errichten - ein Lichtblick für eine bessere Zukunft.

Wie präsent ist der Albtraum Erdbeben noch für die Menschen?

Ich war in Gegenden, wo man auch nach drei Jahren denkt, dass das Erdbeben noch nicht lange vorbei sein kann. Ich bin Menschen begegnet, die noch unter schwierigsten Bedingungen leben, beispielsweise in provisorischen Zelten ohne fließendes Wasser.

Es ist spannend, die beiden Länder der Insel Hispaniola zu vergleichen: Die Dominikanische Republik hat sich toll entwickelt, am Flughafen angekommen fühlt man sich fast wie in Europa, der Tourismus floriert, es gibt schöne Hotelanlagen und herrliche Strände. Insgesamt ist der Lebensstandard wesentlich höher als jenseits der Grenze, im bettelarmen Haiti.

Dort befindet man sich im "Armenhaus der Karibik". Das haitianische Volk wurde lange Jahre von korrupten Diktatoren ausgebeutet, die Menschen sind wirklich geplagt. Ein Grund für die Armut ist auch in Haiti oft fehlende Bildung. Korruption und schlechte Bildung sind meiner Meinung nach die beiden größten Entwicklungshindernisse.

Von welchen Fortschritten kannst Du uns berichten?

Es gibt natürlich viele Bereiche, in denen sich Organisationen engagiert haben und sich entsprechend viel getan hat. Bereits der Fokus auf unsere Bauprojekte, die beiden wieder aufgebauten Schulen und das Kinderheim, dokumentiert konkrete Hilfe und den Wunsch einer nachhaltigen Entwicklung. Ein großer Teil der Haitianer lebt aber noch immer unter schwierigsten Bedingungen. Es ist schlichtweg ein sehr langer Prozess, denn innerhalb weniger Minuten sind Gebäude zerstört worden, die über viele Jahrzehnte entstanden und Spenden oder staatliche Zuwendungen reichen einfach nicht aus, um den gesamten Wiederaufbau zu finanzieren.

Die Narben, die diese furchtbare Katastrophe auf der Seele dieses Landes hinterlassen hat, werden für immer sichtbar bleiben. Eine Katastrophe dieser Dimension ist für jede Regierung eine enorme Herausforderung, selbst in strukturell besser aufgestellten Staaten wie etwa Italien. Nachhaltige Hilfe beinhaltet übrigens auch mehr als die Beseitigung von Trümmern. Die Ereignisse müssen auch emotional aufgearbeitet werden. Ein Mensch, der seine Liebsten verloren hat, braucht nicht nur ein neues Zuhause, sondern auch die Zuwendung seiner Mitmenschen.

Aber immer wieder bin ich auch erstaunt, wie fröhlich Menschen in den schwierigsten Lebensumständen trotzdem sein können; ob das in Haiti oder in einem Flüchtlingslager im Sudan ist. Es ist wirklich bewundernswert und ermutigend zu sehen, dass viele der Betroffenen trotz der leidvollen Erfahrungen ihr Lachen nicht verloren haben.

Geht die Hilfe von humedica weiter, gibt es konkrete Planungen?

Ja, auf jeden Fall. Für unser aktuelles Projekt, eine Krankenpflegeschule in der Stadt St. Marc, möchte ich ein System etablieren, das nicht nur von humedica unterstützt wird, sowohl finanziell, als auch inhaltlich.

Wir möchten als Partner Krankenpflegeschulen in Deutschland und Österreich finden, die bereit sind, Kooperationen mit der Schule in St. Marc einzugehen, auch weil die zur Verfügung stehenden Mittel von uns als klassischer Hilfsorganisation endlich sind. Heute noch Spenden für Projekte in Haiti zu sammeln ist nicht sehr einfach, selbst wenn die Aufmerksamkeit rund um diesen Jahrestag wieder etwas zugenommen hat.

Haiti wird uns weiter am Herzen liegen. Auf dem Gelände der Krankenpflegeschule St. Marc werden wir einige Räume für humedica reservieren, um bei einer notwendigen Präsenz – Haiti ist immer von schweren Katastrophen, wie z.B. Wirbelstürmen bedroht – einen Anlaufpunkt zu haben.

Insgesamt muss ich sagen, dass es immer wieder schön ist, wenn sich Türen öffnen und wir konkrete Hilfe leisten dürfen. Wenn wir merken, dass Gott etwas vorbereitet hat. Das gibt uns den Mut, immer weiter zu gehen. Es ist für uns absolut hilfreich, dass wir uns auch morgens hier zum Beten treffen können und unsere Projekte von Gott gesegnet sind, auch die in Haiti.

Wenn auch Sie das Projekt der Krankenpflegeschule in St. Marc, Haiti mit einer Spende unterstützen wollen, können Sie das mit der unten angegebenen Bankverbindung oder über das Online-Spendenformular gerne tun, wir sind Ihnen sehr dankbar dafür!

humedica e. V.
Stichwort "Krankenpflegeschule St. Marc"
Konto 47 47
BLZ 734 500 00
Sparkasse Kaufbeuren

Sicher, schnell und einfach ist auch die Möglichkeit der Unterstützung durch das Senden einer sms: Textmitteilung mit Stichwort DOC an die 8 11 90. Von den damit gespendeten 5,- Euro fließen 4,83 direkt in die humedica-Hilfsprojekte. Vielen Dank!