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Einsatztraining bei der humanitären Hilfsorganisation humedica bedeutet auf den Ernstfall eines Katastropheneinsatzes vorbereitet zu werden. Von medizinischen Inhalten, über Teamleitung und Einsatztechnik, bis hin zu Medienkoordination wird ein breites Spektrum an Kompetenzen vermittelt. Beim ersten Training dieses Jahres kamen wieder einmal die unterschiedlichsten Menschen aus ganz Deutschland zusammen.

Doch so bunt die Teams auch sein mögen, haben alle Teilnehmer etwas gemeinsam: Sie wollen helfen, mitanpacken und Neues lernen; sie haben ein Interesse an einer Realität über den eigenen Gartenzaun hinaus. Sabine Kohrs ist Ärztin und wird im Training zur medizinischen Einsatzkraft und Medienkoordinatorin ausgebildet. Im Gespräch mit dem 27-jährigen Trainingsleiter Christian Freischlad entdeckte sie eine besonders spannende Lebensgeschichte, die sie heute mit Ihnen teilen möchte.

Christian, kannst Du uns einen kurzen Einblick in Deine Kindheit und Jugend geben?

Ich bin in Herrenberg in der Nähe von Stuttgart geboren. Dort habe ich drei Jahre gelebt, bis wir nach Kasachstan gezogen sind, wo meine Eltern bis heute als Entwicklungshelfer arbeiten. Prägend waren für mich die Erfahrungen im russischen Kindergarten und der russischen Grundschule auf der einen und in der weiterführenden internationalen Schule auf der anderen Seite. Die staatliche russische Schule war durch eine starke Schamkultur geprägt, in der internationalen, englischsprachigen Schule empfand ich die Stimmung als familiär. Nach dem Schulabschluss bin ich nach Deutschland, habe meinen Zivildienst im Lebenszentrum Adelshofen geleistet und anschließend vier Jahre bei Jugend mit einer Mission gearbeitet. Danach habe ich in Dresden internationale Beziehungen studiert. Seitdem arbeite ich bei humedica.

Gibt es für Dich aufgrund des bisher Erlebten einen Unterschied zwischen den Begriffen Heimat und Zuhause?

Definitiv! Zuhause ist der Zufluchtsort im Leben. Das muss nicht dort sein, wo mein Bett schläft, sondern wo meine Freunde sind und ich mein soziales Umfeld habe. Der Begriff Heimat wird meist auf ein Land bezogen. Ich werde eine Heimat, im Sinne einer Region, nie haben. Von meinen Freunden aus Kasachstan, die ich beim Aufwachsen hatte, ist fast keiner mehr dort. Der Ort ist mir vertraut, aber ohne diese Freunde und Bekannte, kann es keine Heimat sein. Deutschland ist auf jeden Fall meine Heimat und ich bin mir vor allem durch meine langen Auslandsaufenthalte sehr bewusst Deutscher zu sein. Aber einen Heimatort, ein Dorf oder eine Region habe ich nicht.

Warum hast Du Dich zur humanitären Hilfe entschieden?

Der größte Motivator ist mein christlicher Glaube. Mit meiner täglichen Arbeit möchte ich etwas tun, das Menschen hilft und gut tut.

Wie hast Du humedica kennengelernt und warum arbeitest Du gerade bei einer mittelgroßen Organisation wie humedica?

2008 habe ich humedica das erste Mal kennengelernt. Ich arbeitete gerade als Teamleiter bei Jugend mit einer Mission, als die Landesdirektorin von humedica sich von uns operative Unterstützung bei einem Einsatz im Sudan wünschte. Daraufhin waren wir zwei Monate dort im Einsatz und haben das Projekt tatkräftig unterstützt.

Und warum ich für eine eher kleinere Organisation arbeite? Ich habe den Eindruck, dass bei manchen großen Organisationen die Strukturen wichtiger sind, als direkte Beziehungen sowie effektive Arbeit. Es ist vergleichbar mit einem großen Schiff. Das kann zwar viel mehr transportieren, aber schnell und wendig ist es definitiv nicht. Als kleinere Organisation hat humedica ein persönliches Profil. In der Arbeit gewinnt man schnell Einblicke und kann persönlich mehr verändern und bewirken.

Durch den familiären Charakter kann wertvolles Wissen Einzelner persönlich weitergegeben werden und somit wächst das Ganze durch den Beitrag der Einzelnen. All das macht humedica zu einer bemerkenswerten Organisation.

Als Einziger unserer Trainer trägst Du immer Deine humedica-Weste. Warum?

Ich bin als Repräsentant für humedica hier. Meine Kollegen tragen die T-Shirts, diese mag ich aber nicht so gern. Die Weste hingegen ist auch für das Training einfach unheimlich praktisch mit ihren vielen kleinen Taschen.

Warum hast Du Dich für die Arbeit in der Zentrale entschieden anstatt im Ausland in den verschiedenen Projekten zu arbeiten?

Man braucht einen Ort, an dem man verwurzelt ist. Mein ganzes Leben lang habe ich beständig Veränderung erlebt und bis heute hat sich das nicht signifikant geändert. Auch von meinen besten Freunden der letzten eineinhalb Jahre in Kaufbeuren sind über die Hälfte bereits wieder weggezogen. Das dauernde Abschiednehmen und immer wieder neue Leute Kennenlernen ist auf Dauer nicht leicht.

Wie stellst Du Dir in groben Zügen Dein weiteres Leben vor? Was sind Deine Ziele?

Ich würde mir wünschen, dass ich von jedem Punkt in meinem Leben sagen kann, dass er gut war. Wenn meine Zeit heute Abend zu Ende wäre, möchte ich nicht so gelebt haben, dass alles für die Zukunft vorbereitet ist und ich dann keine Zeit mehr dafür habe. Ich möchte auch nicht nur in der Vergangenheit leben. Ich möchte von mir sagen können, dass ich alles, was ich kann in meine Mitmenschen und in sinnvolle Projekte investiert habe.

Ich wünsche mir, dass auch enge Freunde, Verwandte und meine Familie dasselbe von mir sagen: „Er hat nach seinen Überzeugungen gelebt und er hat sein Leben so gut es geht ausgeschöpft, um sich und anderen Gutes zu tun“. Und natürlich wünsche ich mir immer mal wieder so ein richtig schönes ungewisses Abenteuer, mit positivem Ausgang, wenn`s geht!

Was würdest Du aus Deiner Erfahrung einem zukünftigen humedica-Mitglied mit auf den Weg geben wollen?

Erstens: Lass Dich auf Neues ein, gehe einen neuen Schritt, wage etwas Neues und mach auch mal einen Fehler. Nimm ein Projekt in Angriff, von dem Du nicht weißt, ob Du es alleine kannst.
Zweitens: Sei bereit zu lernen, egal wie viel Du schon weißt, Du weißt noch nicht alles und egal wie wenig Du weißt, Du kannst alles lernen, wenn Du offen dafür bist.

Vielen Dank für Deine Zeit und diesen kleinen Einblick in Dein Leben!