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Obdachlos, arbeitslos, ohne Lebensgrundlage für sich und die neun Familienmitglieder, alles Hab und Gut verloren - das Schicksal von Inayat Ullah und seiner Familie lässt sich mit wenigen tragischen Worten beschreiben. Das Unheil für den 41-jährigen Fahrer und Landwirt begann im vergangenen August auf dramatische Weise, als heftige Flutwellen sein Dorf gleich zweimal überschwemmten. Wie es ihm ergangen ist? Wir erzählen Ihnen Inayat Ullahs Geschichte.

„Inayat Ullah wohnt in dem Dorf Mubarik Shah in dem Distrikt D.I. Khan im Nordwesten Pakistans. Von Beruf ist er Fahrer und bevor im vergangenen Jahr die Fluten sein damals 300 Häuser zählendes Dorf zerstörten, übte er diese Tätigkeit 17 Jahre lang aus.

Jeden Morgen stand er früh auf und fuhr auf den 24 Kilometer entfernten Markt, um die eingebrachte Ernte dort zu verkaufen. Er tat dies für seinen Grundherrn und bekam pro Tag einen Lohn in Höhe von 1,45 Euro. Von ihm gehaltene Ziegen gaben zusätzlich Milch für Inayat und seine Familie.

Gemeinsam mit seiner Frau, sieben Kindern und seinem 69 Jahre alten Vater lebte Inayat von seinem Gehalt als Fahrer und den geringen eigenen Ernteerträgen und dem Viehbestand. Neben der Hausarbeit half seine Frau bei der Bepflanzung und Ernte der Felder des Grundherrn. Der Vater konnte bereits seit langem keine Hilfe mehr anbieten, da er sehr schlecht sah, maximal Schatten und Umrisse erkennen konnte.

Bereits während der ersten neun Ehejahre von Inayat und seiner Frau bekam das Ehepaar sieben Kinder, immer mit dem Wunsch, das nächste Neugeborene werde ein Junge, da diese härter arbeiten könnten und in der Gemeinschaft mehr als Segen wahrgenommen werden als dies bei der Geburt eines Mädchens der Fall sei. Fünf Mädchen und zwei Jungen zieht das Paar nun groß.

Auf diese Weise lebte die zehnköpfige Familie zufrieden in ihrem Alltag und routiniert bei ihren Aufgaben in einem Lehmhaus mit zwei Räumen zum Schlafen, Kochen und Leben. Inayat ging seiner Arbeit nach und versorgte damit seine Angehörigen, die älteren Kinder gingen zur Schule. Bis zum 26. August 2010.

Es war gegen halb vier Uhr morgens, als die Dorfbewohner von Mubarik Shah von einer Stimme aus den Lautsprechern der örtlichen Moschee aus dem Schlaf gerissen wurden. In der nächtlichen Bekanntmachung wurde vor flutartigen Überschwemmungen gewarnt, die aus den westlich gelegenen Solomon & Darazinda Gebirgen näher kämen.

Das Regenwasser, welches in der Gebirgskette niederschlägt, fließt in kleineren Flüssen in den Indus ein. Aber auf die Volumenkapazität der kleineren Ströme von rund 480.000 Litern kamen nun Wassermassen von knapp 6,8 Millionen Litern.

Die Flutwelle, so verkündete die Stimme aus dem Lautsprecher, habe bereits höher gelegene Dörfer zerstört und alle Dorfbewohner haben unverzüglich ihr Haus zu verlassen. In weniger als 30 Minuten wurde so das gesamte Dorf evakuiert. Abgesehen von zwei Männern, die an der Gefahr der Fluten zweifelten und von bis zu drei Meter hohen Wellen getötet wurden, und 700 ertrunkenen Rindern, überlebten alle Bewohner aus Inayats Heimatdorf.

Als nach drei Tagen das Wasser schließlich langsam versickert oder weitergeflossen war, beschlossen ein paar meiner Nachbarn und ich, in unser Dorf zurückzukehren, die Lage einzuschätzen und zu entscheiden, ob alle Familien wieder zurückkehren könnten“, berichtet der Familienvater Inayat.

Die Straße, die ich sonst jeden Tag mit meinem Wagen zum Markt gefahren war, war zerstört. Überall stand der Schlamm bis zu einer Höhe von einem Meter, die Reisfelder waren einzige Schlickgruben. Der Geruch der Tierkadaver machte uns das Atmen beinahe unmöglich. Einer meiner Begleiter stieß in einem Gebüsch auf den leblosen Körper des zum Zeitpunkt seines Todes gerade einmal 23-jährigen Shakeel, seine Kleider waren zerrissen. Die Leiche des anderen Dorfbewohners haben wir niemals gefunden.

Hätte ich nicht den umgestürzten Baum wiedererkannt, unter dem meine Familie und ich in unserem Garten stets Schatten gesucht hatten, hätte ich den Platz meines nun völlig zerstörten Heims nicht finden können. Es gab keine Anzeichen meiner Ziegen und den Karren, mit denen ich ihnen immer Futter gebracht hatte, war aufgrund des Aufpralls auf ein Auto total zerstört.

Einfach alles war verschwunden, alles war zerstört. Meine Begleiter und ich waren so schockiert, wir waren nicht einmal in der Lage, zu weinen. Ich habe niemals zuvor in meinem Leben einen derartig großen, durch Wasser verursachten Schaden gesehen.“

Inayat und die anderen Dorfbewohner entschieden sich dafür, gemeinsam mit ihren Familien eine Woche später zurückzukehren. Doch auch daraus wurde nichts. „Das Dorf wurde zwei Tage später von einer weiteren Flutwelle getroffen. So vergingen mehr als zwei weitere Wochen, bevor wir in das Dorf zurückkehrten.“

Auch Inayats Gutsherr und Arbeitgeber verzeichnete große Verluste: die kurz bevorstehende Reisernte und auch das bis dahin angebaute Obst und Gemüse war zerstört worden. Um sein Schicksal in die Hand zu nehmen, verkaufte der Gutsherr sein Auto - und somit Inayats Arbeitswerkzeug, was den siebenfachen Vater in der Arbeitslosigkeit zurückließ.

Wir bekamen Essen von nicht betroffenen Bewohnern der umliegenden Städte und von Hilfsorganisationen wie ARO, die uns darüber hinaus auch andere Hilfsgüter zukommen ließen. Und wir lebten in einem Zelt. Tagsüber war es unerträglich heiß und nachts hatten wir alle zusammen nicht genügend Platz in der Notunterkunft.“

Gemeinsam engagierten sich humedica und ARO Pakistan auch in der Gegend, wo einst Inayats Dorf gestanden hatte, beim Wiederaufbau. Insbesondere in dem Distrikt D.I. Khan stellte dies zwar oftmals Sicherheitsrisiken dar, welche aber durch den lokalen Partner stets im Auge behalten und eingeschätzt wurden - und somit nicht zu Lasten der Flutopfer gingen.

Inzwischen lebt Inayat gemeinsam mit seiner Familie in einem von humedica und ARO Pakistan wieder aufgebauten Haus aus robusterem Stein, welches auch der nächsten potentiellen Flut standhalten wird. Um auch auf längere Sicht sein Leben wieder selbst in die Hand nehmen zu können, beschaffte ARO Pakistan dem Familienvater eine Arbeitsstelle.

Darüber hinaus konnte die Unterstützung dazu beitragen, dass Inayat zwei neue Ziegen kaufen konnte und von dem Lohn des neuen Jobs möchte er weitere Ziegen und ein Rind erwerben - bis ihn sein Grundherr voraussichtlich in wenigen Monaten wieder für sich arbeiten lassen kann.

Liebe Freunde und Förderer, dank des Auswärtigen Amtes der Bundesrepublik Deutschland, insbesondere aber dank Ihrer Unterstützung lebt Inayat mit seiner Familie nun einem sicheren Haus und hat eine neue Arbeit. Dank Ihnen kehrt sein Leben langsam wieder zur Normalität zurück, für die Inayat kaum Worte findet und über die er sehr dankbar ist.

Bitte unterstützen Sie uns auch weiterhin. Vielen Dank!
humedica e.V.
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