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Ich bin nun seit zwei Tagen wieder in Deutschland und der Alltag hat mich schneller eingeholt als mir lieb war: Noch auf dem Weg vom Flughafen nach Hause bekam ich eine SMS von einem Studienkollegen: "Schön, dass du wieder da bist. Melde dich schnell für die Kurse in der Uni an, das geht nur noch drei Tage."

Kurz danach erzählte mir eine Freundin am Telefon, dass sie sich einen neuen super großen Fernseher gekauft hat, weil ihr alter kaputt war. Ich machte mir während dessen immer noch Gedanken darüber, wie man den Straßenkindern aus Pastor Yacoubas Gemeinde am besten helfen könnte, die jeden Samstag in ihren dreckigen, zerrissenen Klamotten bei uns vor der Haustür standen, weil sie nichts zu essen hatten und Sonntags, in der Kirche ein bisschen körperliche Nähe bei uns suchten, weil ihnen eine Mama fehlt.

Zuhause erwartete mich ein Stapel ungeöffneter Post und ich musste feststellen, dass weder Internet noch Festnetztelefon funktionierten, also hieß es am nächsten Morgen auf in die Unibibliothek, um dort das Internet zu benutzen und mich für die Wintersemesterkurse meines Medizinstudiums anzumelden.

Ein Techniker von der Telekom war inzwischen auch da, konnte aber bisher das Problem mit meiner Telefonleitung nicht beheben. Obwohl mich das anfangs etwas geärgert hat, bin ich mittlerweile sogar ein bisschen froh darüber, weil mir das die Möglichkeit gibt in Ruhe meinen Einsatz in Niger Revue passieren zu lassen.

Jeder der schon mal in einem Einsatz für humedica war, kennt vielleicht die Schwierigkeit, nach der Rückkehr, auf die Frage "Wie war es denn?" zu antworten. Ich habe häufig das Gefühl, dass viele Leute erwarten, dass man mit "gut" oder "schön" antwortet, aber das trifft es nicht.

Wenn man die bloßen Fakten betrachtet, dann wirkt mein Einsatz erst einmal etwas frustrierend: Simone und ich haben unsere Arbeit in Niger mit der optimistischen Einstellung begonnen, innerhalb von maximal einem Monat die Klinik in Kollo eröffnen zu können. Nun musste ich abreisen und die Arbeit in der Klinik konnte noch nicht begonnen werden, weil sich die Autorisierung durch die Regierung immer wieder nach hinten verschiebt.

Natürlich enttäuscht mich das, weil ich mir gewünscht hätte, die Klinik mit Leben gefüllt zu sehen, aber so sind die Dinge in Afrika häufig; die Uhren ticken ein Stück langsamer, ob das einem nun passt oder nicht.

Dies war nun mein vierter Einsatz für humedica. Mir fällt es wahnsinnig schwer Worte zu finden, die dem gerecht werden was ich während dieses Einsatzes erlebt, gesehen und empfunden habe, obwohl mein Herz fast übersprudelt vor Erfahrungen. Mit "emotionsgeladen" kann man das Ganze wohl am ehesten beschreiben, denn ich habe selten soviel gelacht, getanzt, gesungen, gebetet, geweint oder auch gemeckert.

Häufig haben wir beim Abendessen mit Familie Seydou Tränen gelacht oder aber uns gemeinsam den Kopf darüber zerbrochen, welche weiteren Möglichkeiten es gibt, den Menschen in Niger bestmöglich zu helfen. Denn täglich standen Menschen vor unserer Haustür, die um Hilfe baten. Manche, weil sie Hunger hatten, wie die schon erwähnten Straßenkinder, die mich so manche schlaflose Nacht und einige Tränen gekostet haben.

Andere, weil sie oder ihre Angehörigen Malaria oder andere Krankheiten hatten und nicht wussten an wen sie sich wenden sollten, weil sie kein Geld für einen Arztbesuch oder Medikamente hatten. Am Sonntag in der Kirche schlossen wir all diese hilfsbedürftigen Menschen in unsere Gebete ein und beteten auch dafür, dass unsere Klinik in Kollo möglichst bald eröffnet werden kann, um diesen Menschen eine Anlaufstelle zu bieten.

Der sonntägliche Gottesdienst war außerdem eine gute Möglichkeit sich zu besinnen, Kraft für die kommende Woche zu tanken und den Ballast der vergangenen Woche weg zu tanzen und zu singen. Dabei sind wir auch nicht drum herum gekommen Lieder auf Deutsch vorzutragen. Dies mehr schlecht als recht, aber zur allgemeinen Erheiterung.

Die Verabschiedung von der Gemeinde während meines letzten Gottesdienstes fiel mir sehr schwer. Sie haben mich mit den Worten entlassen, dass ich allen Leuten zuhause von ihnen erzählen soll und dass sie dafür beten, dass ich wiederkomme.

Gleich nach meiner Ankunft zuhause, habe ich in meinen Unterlagen nachgeschaut, wie viel Zeit ich in den nächsten Semesterferien aufbringen könnte, um erneut nach Niger zu fliegen. Und da ich ein paar Wochen ohne Pflichtveranstalltungen oder Klausuren habe, würde ich mir wünschen dann endlich die Frucht unserer langen Vorbereitungszeit bestaunen zu können: die mit Leben gefüllte Klinik in Kollo.