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">Third Culture Kid Heidi Nicklin gibt uns einen tiefen Einblick in ihr Leben und erzählt uns, wie sie aufgewachsen ist, was sie geprägt hat und was ihr wirklich wichtig ist.

Liebe Heidi, Du bist als Halbritin und Halbdeutsche in Malaysia, Thailand und Singapur aufgewachsen, hast Deine gesamte Kindheit in der südostasiatischen Kultur verbracht und doch bist Du dann im Alter von 19 Jahren für das Studium nach Deutschland gekommen. Durch häufige, teilweise auch Langzeiteinsätze im Nahen und Mittleren Osten, in Südostasien und Afrika, hast Du Deine ohnehin kulturell komplexe Identität noch durch viele weitere kulturelle Einflüsse geprägt.

Wie war für Dich als englisch-deutsches Mädchen die Kindheit in den orientalisch/asiatischen Ländern, in denen die Menschen sicherlich anders „ticken“, als es Dir Deine europäischen Eltern vorlebten?

Da ich sehr jung (zwei Jahre alt) war, als meine Eltern nach Südostasien gezogen sind, empfand ich es als normal, dass bei uns Zuhause einiges anders war, als bei den Nachbarn.

Sogar unsere Schulfreunde waren mehrheitlich aus fremden Ländern, beispielsweise aus Frankreich, den USA oder Australien, somit war bei ihnen Zuhause auch einiges anders. Die Vielfalt war normal.

Hattest Du in Deiner Kindheit und Jugendzeit also nie Probleme mit Deiner kulturellen Identität, die so gemischt und somit ja doch sehr anders war, als die der meisten Menschen um Dich herum?

In meiner Kindheit und Jugendzeit waren die meisten meiner Freunde so wie ich; ihre Eltern stammten aus anderen Ländern und wir Jungen lebten, wo wir waren. Wir mischten alle alles zusammen und hatten viel Spaß.

Das einzige Mal, als ich wirklich ein Problem hatte, war, als ich mit 19 Jahren nach Deutschland kam. Plötzlich sah ich so aus wie alle anderen auf der Straße auch, fühlte mich aber viel fremder als in Bangkok oder in Singapur auf der Straße - ich passte nicht hinein.

Man riet mir, an einer kleinen Universität zu studieren, um mich besser einleben zu können. Das stimmte allerdings gar nicht. Woher war ich? Wie aus Singapur sah ich nicht aus und wie eine Engländerin auch nicht, durch meine „Übersee“-englische Aussprache. Die Uni in der Großstadt München war das Richtige - da gab es andere mit ähnlicher Vergangenheit.

Wie erlebst Du Deine kulturelle Mischung heute? Würdest Du es zusammenfassend als Vorrecht oder als zusätzliche Hürde ansehen, eher gewinnbringend oder mit Schwierigkeiten und Herausforderungen behaftet?

Es ist super! Ich würde es nicht anders wollen. Ich hole mir das Beste aus Allem und mische es. Alles im Leben hat Vor- und Nachteile. Nimm, was Dir zufällt und mache das Beste daraus.

Warum zog es Dich nach langen Jahren in Deinem Südostasien schließlich doch nach Deutschland und nun in Deine zweite Heimat Großbritannien?

Als ich in Singapur mit der Schule fertig war, wusste ich, ich musste entweder nach Deutschland oder nach England. Da meine Eltern noch in Bangkok waren, ging ich in das Land, wo die Menschen waren, die mir nahe standen. Somit ging ich nach Bayern, wo meine Tante und mein Onkel wohnten, mit denen ich mich immer noch sehr gut verstehe.

Als dann der richtige Zeitpunkt gekommen war, nach England zu ziehen, bin ich halt etwas nördlicher, nach Schottland gezogen, weil dort wieder Menschen waren, die mir wichtig sind. Es scheint mir, dass meine Ortswahl stets durch Menschen beeinflusst wird, die mir wichtig sind.

Was würdest Du heute als Deine Heimat bezeichnen? Die Länder, in denen Du aufgewachsen bist, die, aus denen Deine Eltern stammen oder Großbritannien, wo Du nun schon seit so vielen Jahren lebst?

Meine Heimat ist immer da, wo ich wohne (vor allem, wenn ich da gerne bin); also jetzt Großbritannien. Bayern ist mir sehr vertraut und ich habe viele gute Erinnerungen daran, und auch Thailand und Singapur haben mich sehr geprägt.

Heimat als einen Ort habe ich nicht. Ich bin eben wirklich eine halbe Engländerin und halbe Deutsche, die in Thailand aufgewachsen ist.

Fühlst Du Dich manchmal zerrissen zwischen zwei oder mehreren Welten?

Nein - absolut nicht. Wie schon gesagt, nimm das Beste von überall und mache was Gutes daraus!

Wird man mit solch vielen verschiedenen kulturellen Prägungen nicht zu einem rastlosen Menschen, der stets neue Herausforderungen und neue Umgebungen sucht? Oder erlebst Du das Gegenteilige, dass das Verlangen nach einer festen Heimat umso stärker wird?

Ich brauche meinen festen Platz, mein Zuhause. Und trotzdem liebe ich es zu reisen, neue Länder und Menschen kennen zu lernen - nicht umsonst habe ich Geographie studiert. Es ist durchaus möglich, Wurzeln und Flügel gleichzeitig zu haben.

Ist die mentale Bindung zu einem Land immer stärker als zu anderen, oder kann man sich tatsächlich an mehreren Orten gleichzeitig Zuhause fühlen? Und denkst Du, der Mensch braucht überhaupt eine feste Heimatzugehörigkeit?

Für mich ist die Bindung zu dem Land, in dem ich gerade lebe, am stärksten (als deutsche Engländerin in Schottland ist das etwas komplizierter) - ich bin ein Mensch, der voll und ganz in der Gegenwart lebt. So ist die Bindung für mich zu dem Land am stärksten, in dem ich gerade in einem bestimmten Lebensabschnitt lebe.

Der erste Teil meines Erwachsenenlebens ist sehr stark mit Deutschland verbunden und wenn ich an meine Kindheit und Jugend denke, dann ist die Bindung zu Thailand und Singapur sehr wichtig.

Ich denke, wenn man eine klare Heimat hat, braucht man sie. Und wenn man sie nicht hat, braucht man die feste Heimatzugehörigkeit nicht, weil man das, was man nicht kennt, auch nicht vermisst.

Vielen Dank für das hochinteressante Interview, liebe Heidi! Wir wünschen Dir weiterhin alles Gute und Gottes Segen für Deine noch anstehenden Pläne und Lebensstationen.