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Sie koordiniert die Begleitung unserer Einsatzteams durch einige Medienvertreter, organisiert Interviews, entlastet die anderen Betreuer und schreibt selbst unter anderem dieses "Tagebuch aus Haiti", Judith Kühl aus einer zerstörten Stadt, zwischen Hoffen und Bangen.

Freitag, 22. Januar 2010, 11:40 Uhr MEZ

"18 Ärzte, Krankenschwestern und Rettungsassistenten mit einer Apothekerin und vier Koordinatoren: Ein so großes humedica-Team kann viel auf die Beine stellen. Seit gestern sind drei verschiedene Team in und um die Hauptstadt Port-au-Prince im Einsatz. Immer mehr Menschen finden Hilfe und damit eine neue Perspektive nach dem katastrophalen Erdbeben.

Die „Klinik der Hoffnung“ wird bereits seit acht Tagen von einem Teil des humedica-Teams geführt. Nach dem Beben war das Krankenhaus weitgehend unzerstört ohne Personal und Materialien verlassen worden. humedica schickte Ärzte und Krankenschwestern sowie medizinischen Bedarf; Patienten, die bis heute am Tor Schlange stehen, konnten behandelt werden.

Auch chirurgische Eingriffe können und müssen hier vorgenommen werden. Nach wie vor ist der Bedarf von Operationen groß. „Die Verletzungen sind ungewöhnlich schwer“, sagte Prof. Dr. Domres, Unfallchirurg, der mit Erdbebenopfern weltweit Erfahrung hat. Die humedica-Ärzte sind unermüdlich im Einsatz unter schwersten Bedingungen den Menschen zu helfen.

Seit gestern hat eine weitere humedica-Klinik in Port-au-Prince eröffnet. Das Krankenhaus war ebenfalls verwaist. Mit einem Team von Ärzten, Krankenschwestern und einer Apothekerin wurde die Klinik innerhalb von einem Tag mit medizinischem Bedarf bestückt und am nächsten Tag bereits eröffnet.

„Wir sind überwältigt. Es ist eine große Herausforderung für uns, spontan ein Krankenhaus zu eröffnen. Das hat natürlich noch nie jemand gemacht in Deutschland. Ein mulmiges Gefühl hatte ich am Morgen schon. Doch es hat alles gut geklappt. Die Patienten kamen und das Krankenhaus füllt sich. Das ist ein tolles Gefühl“, sagte eine Krankenschwestern gestern Abend.

Ebenfalls seit gestern gibt es eine Ambulanz, die humedica betreut in Leogane, etwa eine Stunde von Port-au-Prince entfernt. Auf einem Gelände mit anderen deutschen Hilfsorganisationen und kubanischen Notfallhelfern, haben zwei Ärzte und drei medizinische Betreuer innerhalb von einer dreiviertel Stunde ein Zelt für die ambulante Betreuung von Notfallpatienten aufgebaut.

Schon bevor alles eingerichtet war, standen die Menschen vor dem Zelt an. Leogane ist ein Teil des Epizentrum, das beinahe vollkommen zerstört ist. Die deutsche Botschaft überlegt besonders in dieser Stadt langfristig zu helfen.

Heute geht der Einsatz in allen drei Teams motiviert weiter. „Der Zulauf von Patienten nimmt nicht ab. Viele Menschen brauchen unsere Hilfe. Natürlich müssen wir dazu auch für die erste Nachsorge von Patienten bereit sein. Nach so schweren Verletzungen können wir die Menschen nicht sofort nach Hause schicken.“

Wie es in den nächsten Wochen und Monaten mit den vielen Erdbebenopfern und unseren Patienten weiter geht, wird heute Thema in der Deutschen Botschaft von Haiti sein. Dort treffen sich am Morgen Vertreter von über 20 Hilfsorganisationen, um die aktuelle Situation und Projektplanungen sowie Kooperationen zu besprechen. humedica wird bei den Gesprächen dabei sein."

Freitag, 22. Januar 2010, 18:05 Uhr MEZ

Wie lange dauert es eine ambulante Klinik aufzubauen? Ich hätte falsch getippt. Richtig falsch. Nur 42 Minuten brauchten wir, um ein Zelt aufzubauen, den mitgebrachten Notfallkoffer auszupacken und die ersten Patienten auf die zwei Liegen zu legen. Los geht´s! Innerhalb weniger Minuten stehen die Patienten Schlange.

Die beiden Ärzte Markus und Philip sind unermüdlich im Einsatz. Krankenschwester Sabine und Rettungsassistent Matthias helfen ihnen. Ich bin Koordinatorin bei den humedica-Einsätzen, keine Medizinerin. „Macht überhaupt nichts“, meint Sabine, „Jede Hand zählt!“ Einfache Arbeiten werden mir kurzerhand erklärt und los geht´s auch für mich.

Besonders trifft mich das Schicksal der 18-jährigen Rose. Sie hat eine tiefe und leider infizierte Wunde am rechten Knöchel. Den Fuß können wir nicht mehr retten. Er wird demnächst von einem anderen Krankenhaus amputiert. Sie schreit, weil sie schlimme Schmerzen hat.

Ich nehme ihre Hand bis die lokale Betäubung wirkt. Müde blickt sie mir in die Augen. Währenddessen verbinden Philip und Markus ihren Fuß neu. Rose bekommt ab sofort Medizin, die sie vor einer lebensbedrohlichen Infektion schützen kann.

Später legen wir sie zurück auf einen Hof voller Patienten, die notdürftig auf einem Laken liegen und von anderen internationalen Hilfsorganisationen medizinisch betreut werden. Roses Mutter kümmert sich um das Mädchen. Ohne Worte, aber mit einem Lächeln sagt sie uns danke.