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„Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Das oberste Prinzip der Verfassungsordnung der Bundesrepublik Deutschland würde wohl niemand zu kritisieren oder gar anzuzweifeln wagen. Ein Grundsatz zu dessen Verpflichtung sich neben den Autoritäten auch immer wieder die breite Öffentlichkeit bekennt. Doch wie steht es um die Einhaltung eben dieses Prinzips in Zeiten abseits der Demokratie, in Zeiten von Krieg, Angst und Gewalt?

Der 32-jährige Traunsteiner Sven Ramones arbeitet gegenwärtig als Koordinator im Nordirak, wo humedica Flüchtlinge des syrischen Bürgerkriegs mit Hilfsgütern unterstützt und konnte nicht umhin sich mit dieser Thematik auseinanderzusetzen:

„Der anhaltende Krieg in Syrien treibt Millionen Menschen aus dem Land in die angrenzenden Nachbarstaaten, um dort Zuflucht vor der scheinbar endlosen Gewalt zu finden. Über 200.000 syrische Kurden sind auch in den nahen Nordirak geflohen, wo sie von der dort ansässigen Bevölkerung hilfsbereit aufgenommen wurden.

Neben der medizinischen Basisversorgung im Libanon ist humedica mit einem weiteren Team in der nordirakischen Stadt Sulaymaniyah präsent, um die Unterstützung syrischer Flüchtlinge auszuweiten. Was man dort, wie auch in anderen Teilen des Landes vorfindet, ist ein Bild von Flüchtlingen, das man so zunächst wohl nicht erwarten würde.

Viele der geflohenen Syrer leben in Mietshäusern und Wohnungen und ziehen das eigene Dach über dem Kopf dem Leben in einem der vielen Flüchtlingslager vor. Man bezeichnet sie als sogenannte urban refugees oder auch scattered families, weil sie, anders als die Flüchtlinge in den Camps, über die Städte verstreut am Lebensalltag teilzunehmen scheinen. Doch ihre Lebensumstände sind meist dürftig und das Wenige, das sie haben, ist mit harter Arbeit verdient.

Faisal Yunis, ein syrischer Ingenieur, der mit seiner sechsköpfigen Familie aus Syriens Hauptstadt Damaskus nach Sulaymaniyah geflohen ist, repariert jetzt Klimaanlagen, um die Miete für die Wohnung seiner Familie und die notwendigsten Dinge des Alltags bezahlen zu können.

„Ich will, dass meine Familie ein gutes Leben hat. Dass wir ein Leben führen, wie daheim in unserem eigenen Haus. In einem Camp können wir das nicht“, ist seine Antwort auf die Frage, ob es nicht einfacher wäre, in einem der Lager zu leben.

Wie so viele Flüchtlinge fliehen auch die Syrer vor einer Existenz in Angst und Unsicherheit. Es ist eine Flucht vor einer Situation, in der die Achtung des einzelnen Menschenlebens verloren gegangen ist. In den Wirren und Schrecken des Krieges drohen die Menschen letztendlich das zu verlieren, was ihnen von all dem, was sie einst hatten, vielleicht gerade noch geblieben ist: ihre Würde.

„Die Pflicht gegen sich selbst besteht darin, dass der Mensch die Würde der Menschheit in seiner eigenen Person bewahre.“ Immanuel Kants Ausspruch veranschaulicht womöglich die Skizze für die Handlungsvorschrift, der sich nicht nur die Flüchtlinge verschreiben sollten. Es scheint eine zu oft missverstandene Vorstellung der Opferrolle zu sein:

Menschen, die plötzlich auf Unterstützung angewiesen sind, werden allzu schnell als „hilflos“ abgestempelt – nicht länger in der Lage, sich selbst zu helfen. Ihre Notsituation entzieht ihnen scheinbar kurzerhand die Legitimation, eigene Ansprüche an ihre Lebensumstände stellen zu dürfen. Es drängt sich die Frage auf, wie haltbar diese Vorstellung tatsächlich ist.

Die Folge dieses Missverständnisses ist die ständig lauernde Gefahr, dass Menschen auf der Flucht, die nicht nur ihre Heimat und ihr Hab und Gut zurücklassen mussten, auch noch unverschuldet in Abhängigkeiten und Unmündigkeit abgleiten. Sie verlieren die Möglichkeit, selbst für sich zu sorgen und ihr Leben selbstbestimmt zu gestalten.

Flüchtling zu sein bedeutet schon im allgemeinen Wortverständnis eine Existenz voller Entbehrungen. Ein Flüchtling sollte daher gerade eines nicht auch noch verlieren müssen: die Würde, selbst über sein Leben verfügen zu können.

Umso verständlicher ist die Entscheidung vieler syrisch-kurdischer Flüchtlinge im Nordirak, ein Leben in einem der zahlreichen Lager um die drei Großstädte Dohuk, Erbil und Sulaymaniyah zu meiden, in dem sie ständig abhängig von der Hilfe Anderer wären.

Väter oder oft auch die ältesten Söhne der Familie suchen Arbeit als Handwerker oder Tagelöhner, um selbst für den Unterhalt ihrer Angehörigen sorgen zu können. Damit erzeugen sie neben einer gewissen Sicherheit vor allen Dingen wieder ein Stückchen Normalität. Es ist der Versuch eines Alltags, wie ihn die Familien von Zuhause kennen, der aber durch Krieg und Flucht verloren gegangen ist.

Was die urban refugees mit ihrer Arbeit verdienen, reicht den Meisten gerade so zum Überleben. Deswegen sind sie für eine zusätzliche Unterstützung besonders dankbar. Nachbarn kommen, um zu helfen, Freunde, Familien oder Hilfsorganisationen stellen bereit, was dringend gebraucht wird, aber für die Familien zu teuer ist.

So führt auch humedica Verteilungen verschiedener Hilfsgüter für bedürftige urban refugees in und um Sulaymaniyah durch. Mit großzügiger Unterstützung des Auswärtigen Amtes der Bundesrepublik Deutschland und in enger Zusammenarbeit mit unserem lokalen Projektpartner REACH erhalten sie von humedica Küchensets, sowie sogenannte Winter- und Hygienekits, um ihre eigenen Haushalte auszustatten und die kalte Jahreszeit sicher zu überstehen.

Es ist eine Unterstützung für diejenigen, die versuchen sich trotz widrigster Umstände und vor dem Hintergrund eines menschenverachtenden Kriegs selbstbestimmt zu helfen. Im Sinne Kants ist es auch ihr Versuch, über ihre eigene Würde hinaus, die Würde der Menschheit zu bewahren.“

Liebe Freunde und Förderer, bitte unterstützen Sie auch weiterhin unser Engagement im Irak mit einer konkreten Spende und helfen Sie den Menschen sich selbst zu helfen. Damit auch in dunklen Zeiten die Maxime der Humanität erhalten bleibt: Die Würde des Menschen. Vielen Dank!

humedica e.V.
Stichwort "Syrische Flüchtlinge"
Konto 47 47
BLZ 734 500 00
Sparkasse Kaufbeuren