Direkt zum Inhalt

Seit August 2011 arbeitet Koordinatorin Katja Weber für humedica in Nairobi und koordiniert dort insbesondere Hilfsgüterverteilungen in verschiedenen Regionen des großen Landes. Logistik spielt als Thema in ihrem Arbeitsalltag immer wieder eine wichtige Rolle. Im Interview beschreibt Sie die besondere Herausforderung des Lebens und Arbeitens auf dem schwarzen Kontinent uns spricht über ihre afrikanische Hochzeit.

Katja, Du lebst und arbeitest jetzt schon seit einigen Monaten in der kenianischen Hauptstadt Nairobi; wie ist die Situation am „Horn von Afrika“ und welche Aufgabenbereiche setzt Du mit gemeinsam mit Deinem Team um?

Auch wenn man in den Medien in Deutschland zurzeit nicht mehr viel von der Dürrekatastrophe hört: Die Lage ist nach wie vor kritisch. Die letzte Regenzeit hat wieder viel zu wenig Wasser gebracht, es gab nur magere Ernten, die bei weitem nicht ausreichen zur Selbstversorgung der Kleinbauern und Viehhirten.

Immer noch hungern rund 3,75 Millionen Menschen in Kenia, insgesamt sind es über 12 Millionen am Horn von Afrika. Aber es gibt auch gute Nachrichten: Die Anzahl der akut Unterernährten in Turkana, im Norden Kenias, ist drastisch gesunken.

Viele Hilfsorganisationen haben da gute Arbeit geleistet, humedica beispielsweise hat viele Tonnen Spezialnahrung verteilt. Das ist unsere wichtigste Aufgabe: Lebensmittel verteilen, sowohl importierte hochkalorische Riegel oder Babynahrung, als auch lokale Nahrungsmittel wie Mais, Bohnen und Öl.

Wir haben auch ein Programm, in dem wir das Mittagessen für Kinder in Schulen bereitstellen, meist ihre einzige Mahlzeit am Tag. Für diese Schulen bohren wir zusätzlich tiefe Brunnen, damit sie in Zukunft weniger vom Regen abhängig sind.

Im Rahmen Deiner Arbeit wirst Du immer auch wieder mit dem Thema Logistik konfrontiert. Als Kontinent steht Afrika eher für lockeres Chaos und wenig Struktur; wie löst Du kleinere und größere logistische Aufgaben trotz dieser mitunter widrigen Umstände?

Mit viel Geduld! Manchmal fällt es mir aber ehrlich gesagt unglaublich schwer, wenn Dinge nicht mit meiner deutschen Geschwindigkeit und Effizienz vorangehen. Der Container steht warum auch immer länger in Mombasa im Hafen, dann passt irgendein Stempel auf den Papieren nicht - auch wenn es auf den letzten Dokumenten immer in Ordnung war.

Oder der Lastwagen kommt nicht pünktlich vom Spediteur weg und steht im Stau, dann ist er am Lager und merkt, dass er kein Personal zum Laden dabei hat, dann verzählen sich alle zigmal und meine Listen stimmen nicht mehr. Andererseits gibt es auch die faszinierende Kehrseite Afrikas: Alles lässt sich immer irgendwie lösen und kurzfristig organisieren. Hakuna matata! (Anmerkung: "Die Sorgen bleiben Dir fern!")

Welche logistischen Leistungen konnte das humedica-Team seit Deiner Ankunft tatsächlich erbringen?

Ich kann ja mal damit anfangen, die Anzahl der Transportmittel aufzuzählen, die wir nutzen: Frachtflugzeug, Containerschiff, Lastwagen verschiedener Größen, Hubschrauber, Pick-Up.

Und dann natürlich die Menschen, die auf ihren Schultern oder auf dem Kopf das gespendete Lebensmittelpaket nach Hause tragen.

Die größte Schwierigkeit im Land ist dabei die fehlende Infrastruktur. In den abgelegenen Gebieten, in denen die Dürre am größten war, gibt es keine festen Straßen. Als dann der Regen kam, verwandelten sich die Sand- und Erdpisten in Matschrinnen.

Aber wir hatten vorgeplant: Unsere Lieferungen sind vor dem Regen bei den Menschen angekommen. Für Notfälle und um die Betroffenen zu erreichen, die nicht mal per Geländewagen erreichbar sind, haben wir einen Hubschrauber eingesetzt.

Seit August vergangenen Jahres haben wir so rund 123 Tonnen Nahrungsmittel aus Deutschland und rund 150 Tonnen lokale Lebensmittel verteilt.

Wie siehst Du die unmittelbare und mittelbare Zukunft für die hungernden Menschen in vielen Flüchtlingscamps aber auch generell in der Region?

Das ist eine schwierige Frage. Kurzfristig ist es vor allem für die Menschen in der Grenznähe zu Somalia und in Somalia schwierig, weil die Hilfsorganisationen aus Sicherheitsgründen Personal zurückziehen mussten.

Ansonsten hängt jetzt vieles von der nächsten Regenzeit ab, und von den darauf folgenden. Die Zeit bis zu einer hoffentlich guten Ernte danach muss überbrückt werden. Es ist einfach so: Wir müssen die Menschen in den nächsten Monaten noch mit Lebensmitteln versorgen.

Und dann ist die große Frage: Wie können wir verhindern, dass es wieder zu einer solchen Hungerkatastrophe kommt? Wie können sich die Menschen auch in trockenen Zeiten selbst versorgen? Eine einfache Antwort darauf gibt es nicht.

Welche Aufgaben wird humedica noch übernehmen und wo liegen die Bedarfe momentan? Machen (Sach-)Spenden überhaupt Sinn?

Wir bleiben bei unserem Kernauftrag: Lebensmittel verteilen. Wo es passt, werden wir sicherlich auch prüfen, ob wir Maßnahmen durchführen können, die nicht nur die akute Not lindern, sondern langfristig Perspektive bieten. Also zum Beispiel Brunnen bohren.

Das mit den Sachspenden aus Deutschland ist so eine Sache. Manche Produkte gibt es hier einfach nicht, da sind die Menschen dankbar, wenn sie Sachspenden bekommen. Sofern diese in Kenia zugelassen sind - die Verteilung von Milchpulver hat die Regierung inzwischen untersagt.

Spezialprodukte wie die hochkalorischen Riegel kann man nur aus dem Ausland bekommen. Insgesamt muss man aber sagen, dass der Einkauf von lokalen Lebensmitteln sinnvoller ist: Weil damit die Wirtschaft im Land unterstützt wird, und weil die Menschen die Ernährung erhalten, die sie gewohnt sind.

In der kommenden Woche wirst Du in Kenia heiraten; worin unterscheidet sich die afrikanische Hochzeit von der deutschen und wie ist es um Deinen Gemütszustand bestellt?

Den rein kenianischen Teil unserer Hochzeit haben wir schon gefeiert: Wir sind gemeinsam mit meinen Eltern in das Heimatdorf meines Mannes gefahren.

Dort hat die traditionelle Übergabe des Brautpreises stattgefunden: Mein Vater ist nun stolzer Besitzer einiger Kühe! Er hat aber entschieden, sie in Kenia zu lassen, der deutsche Winter wäre wohl ohnehin nichts für sie gewesen.

Und vor wenigen Tagen haben wir in Nairobi kirchlich, mit einer bunten Mischung aus kenianischen und deutschen Traditionen, geheiratet. Wir haben uns riesig darauf gefreut und ein schönes Fest und einen unvergesslichen Tag gehabt! Nach der vorherigen Nervosität und Aufregung überwiegt nun das Glück bei Weitem.

Liebe Katja, vielen Dank für das Gespräch und alles Gute!