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Seit über einem Jahr arbeitet Steven Hofmann für das"> humedica-Patenschaftsprojekt in Äthiopien. Gemeinsam mit seiner Familie hat der 32-Jährige im vergangenen Monat seine deutsche Heimat besucht. Wir haben die Chance genutzt, um mit ihm über sein Leben und Arbeiten in Äthiopien zu sprechen.
Seit über einem Jahr lebst Du nun in Äthiopien. Wie fühlt sich nun der deutsche Boden unter deinen Füßen an?
Ausgesprochen gut. Es ist immer schön in die Heimat zurückzukehren. Interessant dabei ist, dass man nach einem längeren Auslandsaufenthalt das eigene Land ganz anders betrachtet. Es fallen einem viele Dinge neu auf – positiv wie negativ. Positiv sind natürlich die vielen Annehmlichkeiten, die man gar nicht mehr so wahrnimmt. Ganz besonders gilt das für Bus und Bahn und das schnelle und zuverlässige Internet.
Aber auch die riesige Auswahl an Lebensmitteln und Kleidung oder einfach das warme Wasser aus dem Hahn sind toll. Negativ empfinde ich vor allem die große Unzufriedenheit der Menschen – trotz ihres enormen Wohlstandes.
Denke doch einmal ein Jahr zurück, wie war deine Anfangszeit in Äthiopien? Konntest du dich schnell an deine neue Umgebung gewöhnen oder hattest du Schwierigkeiten?
Die Anfangszeit war natürlich sehr spannend. Ich muss aber erwähnen, dass ich schon vorher einige Male zu Besuch in Äthiopien war. Von daher waren mir das Land und die Kultur nicht völlig fremd. Das hat mir dabei geholfen, mich schneller einzuleben. An die neuen Gegebenheiten muss man sich aber dennoch erst gewöhnen. Da es mir in Äthiopiens Hauptstadt Addis Abeba aber so gut gefällt, fiel mir das zum Glück nicht so schwer.
Wie unterscheidet sich denn das Leben in Deutschland von dem in Äthiopien?
Oh, das ist schwer zu vergleichen. Es kommt wahrscheinlich ganz darauf an, welchen Aspekt man betrachtet. Spontan würde ich sagen, dass die bereits erwähnten Annehmlichkeiten in Deutschland das Leben unkomplizierter machen.
Da in Äthiopien nicht alles reibungslos funktioniert oder die entsprechenden Ressourcen oft fehlen, ist man dort viel mehr auf das Miteinander und die Hilfe Anderer angewiesen. Ohne Beziehungen und Freunde hat man es schwer. Das fängt bei der Autoreparatur an und geht bis zum Behördengang.
Mit einschlägigen Beziehungen kommt man dort deutlich schneller ans Ziel. Außerdem benötigt man sehr viel Geduld und Flexibilität in Äthiopien. Das ist eine der großen Lektionen, die ich bis jetzt gelernt habe.
Wenn ich an Deutschland denke, habe ich außerdem oft das Gefühl, dass wir ein wenig unsere Identität verlieren. Die Traditionen werden nicht mehr gepflegt. Das beginnt schon beim Zurückhalten des eigenen Dialekts. Das finde ich schade. In Äthiopien ist das ganz anders. Dort werden Traditionen und Bräuche gepflegt und behütet.
Häufig werden den Menschen eines Landes bestimmte Eigenschaften zugeschrieben. Die Deutschen werden zum Beispiel als pünktlich betrachtet. Gibt es auch bestimmte Eigenschaften die für Äthiopier gelten?
Fröhlich, gelassen, gesellig und ausgesprochen gastfreundlich würde ich sagen.
Wie bewertest du den Arbeitsfortschritt von humedica-Äthiopien? Welche Maßnahmen funktionieren? Was benötigt noch mehr Zuwendung?
Ich würde sagen, humedica macht in Äthiopien gute Fortschritte. Ich persönlich empfinde die Arbeit in den Familienpatenschaftsprojekten als sehr gut. Man kann hier wirklich viel bewegen. Selbstverständlich werden wir nicht das komplette Land verändern können, aber wir können im Leben Einzelner ganz wertvolle Arbeit leisten
Unser Fortschritt zeigt sich in der Vergrößerung aller vier Projektstandorte. Außerdem hat die Initiative zur Kleingewerbegründung erste Früchte getragen. Dank ihrer aufgebauten Gewerbe, konnten die ersten Familien in die Selbstständigkeit entlassen werden. Das ist ein Meilenstein unserer Arbeit.
So gut die Hilfe zur Selbsthilfe auch gelingt, sind wir immer bestrebt unsere Arbeit noch weiter zu verbessern. Ich denke, die Kleingewerbegründungen benötigen weiterhin große Zuwendung. Vor allem aber Auswertung.
Zusätzlich ist es wichtig, die Betreuung der Kinder und Jugendlichen weiter im Fokus zu haben und kontinuierlich zu verbessern. Und wir möchten in unseren Projekten den Menschen mit Behinderungen mehr Aufmerksamkeit zukommen lassen. Ich denke, das ist gerade in Äthiopien wichtig, denn Behinderte haben es dort sehr schwer.
Gibt es ein Projekt, das dir besonders am Herzen liegt?
Jedes Projekt hat etwas für sich. Aber wenn ich eines auswählen müsste, würde ich unser Programm im Stadtteil Kazanchis wählen. Ich war beim Aufbau unserer dortigen Kindertagesstätte von Beginn an involviert. Wenn man etwas wachsen sieht und sich darin eingebracht hat, hat man selbstverständlich eine besondere Beziehung dazu.
Aber ich schätze die Arbeit in allen vier Patenschaftsprojekten sehr und freue mich über den gelungenen Start des ebenfalls noch relativ jungen Projekts in Jijiga und über das dortige Wasserprojekt.
Wie siehst du die Zukunft des Landes und von humedica-Äthiopien?
Ich denke Äthiopien steht vor entscheidenden Zeiten. Es gilt, wichtige Entschlüsse zu treffen und Lösungen zu finden. Das gilt für die Demografie, die Arbeitslosenzahlen und vor allem für die Wirtschaft und Industrie des Landes.
Wir von humedica-Äthiopien können weiterhin wertvolle Arbeit leisten, indem wir unser bisheriges Handeln nach wie vor selbstkritisch betrachten, verbessern, ausbauen und darauf hoffen, dass wir weiterhin über gute Rahmenbedingungen verfügen.
Inzwischen bist Du mit einer Äthiopierin verheiratet und hast ein kleines Baby. Ist Äthiopien deshalb nun mehr Heimat für dich als Deutschland?
Nein, nicht mehr als Deutschland. Dazu müsste ich wahrscheinlich noch einige Zeit in Äthiopien leben. Aber es ist auf jedem Fall ein Stück Heimat geworden. Von nun an werde ich mit meiner Familie in beiden Ländern zuhause sein. Egal wo wir leben, wir werden uns immer auch nach dem anderen Land sehnen.
Steven, vielen Dank für deine Zeit und das aufschlussreiche Gespräch. Wir wünschen Dir und Deiner Familie alles Gute und Gottes Segen.