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Dr. Michael Brinkmann begegnet einem Patienten

Als ehrenamtliche Einsatzkraft bei humedica leistet er dort Hilfe, wo sie am dringendsten gebraucht wird. Für sein unermüdliches Engagement wurde Dr. Michael Brinkmann mit der Verdienstmedaille des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet. Im Interview berichtet uns der 64-Jährige von seinen Erlebnissen bei den Einsätzen und den Begegnungen mit den Menschen vor Ort.

humedica: Deine erste Erfahrung mit humanitären Krisen und weltweiten Katastropheneinsätzen liegt bereits über 30 Jahre zurück. An welches Erlebnis erinnerst Du Dich besonders?

Dr. Michael Brinkmann: Jeder Einsatz ist einzigartig und voller intensiver Momente. Ein Ereignis, das mich kürzlich berührte, war im Februar 2023 in der Türkei. Nach dem Erdbeben lagen schwangere Frauen tagelang unter den Trümmern. Wir hatten ein kleines Ultraschallgerät dabei. Oft konnten wir den Frauen sagen, dass es ihrem Baby gut geht und wir Kindsbewegungen sehen. Manchmal war das leider nicht möglich. Diese Momente sind sehr emotional.

Du bist bereits zwölfmal als Ehrenamtlicher mit humedica ausgereist. Was treibt dich persönlich an, diese Einsätze anzutreten?

Ich habe das Privileg eines international ausübbaren Berufs. Das gibt mir die Möglichkeit, den Menschen vor Ort im individuellen Kontakt unmittelbar Hilfe anzubieten. Als Einsatzkräfte kommen wir nicht mit leeren Händen – Medizin und Gesundheit sind dankbare Hilfsangebote und werden dringend gebraucht. Diese Art der Hilfe im Team erfüllt mich persönlich sehr.
 

humedica

humedica ist eine christlich basierte Hilfsorganisation. Welche Rolle spielt der Glaube bei Hilfseinsätzen?

In erster Linie spielt Humanität eine große Rolle. Unsere Aufgabe ist es, Menschen die Hilfe zu geben, die medizinisch und sozial notwendig ist. Der Glaube ist für den Einzelnen wichtig – zum Teil sogar lebenswichtig. Je nach Region dient der Glaube den Betroffenen in Krisensituationen als Stütze. Generell sollte man solche Einsätze nur machen, wenn man mit hoher Toleranz in die Gebiete geht. Kulturelle Aspekte sollten wir als ausländische Einsatzteams – und somit als Gäste – immer berücksichtigen.

Wie schaffst Du das, die Menschen, insbesondere Kinder, kurzzeitig von ihrer Notlage abzulenken und ihnen ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern?

Unsere Anwesenheit und die Bereitschaft, weite Strecken zurückzulegen, um sie medizinisch zu versorgen, bedeuten den Menschen sehr viel. Wir senden das Signal: „Ihr seid nicht vergessen.“ Kinder sind besonders gefährdet: Ihre Zukunft ist unsicher und sie spüren die Sorgen ihrer Eltern. In diesen Gebieten haben Kinder oft das Lachen verloren. Seit meinem ersten Einsatz habe ich immer Seifenblasen dabei. Das mag simpel klingen, doch es hat eine große Wirkung. Beim Erzeugen der Blasen löst sich die Anspannung, als würde die Last ihrer Probleme in den Blasen gefangen und dann zum Zerplatzen gebracht werden. Plötzlich kehren Lachen und Freude zurück und machen die Situation für einen Augenblick erträglicher.

Ein humanitärer Einsatz beeinflusst die eigene Psyche stark. Wie gehst Du mit solchen intensiven Erfahrungen um?

Wir setzen uns als Team jeden Abend zusammen und lassen den Tag Revue passieren. Jeder formuliert ehrlich, wie er den Tag erlebt hat. Belastende Momente werden offen angesprochen. Das funktioniert am besten in einem Team, in dem alle vergleichbare Eindrücke, Geräusche und Gerüche erlebt haben. Es hilft, Aufgaben abzugeben und es ist zwingend notwendig, Pausen einzulegen, um das Erlebte zu verarbeiten. Bei besonders anspruchsvollen Einsätzen ist hinterher eine professionelle Nachbesprechung durch psychotherapeutisches Personal wichtig und sinnvoll, um mit tiefgehenden Erlebnissen umzugehen. Man kann sie nicht ungeschehen machen, aber die Professionalität lebt auch davon, eine Verpackung zu finden, die einen weiterarbeiten lässt.

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Was kannst Du Interessierten mitgeben, die helfen möchten, aber sich eventuell noch nicht überwinden können, den nächsten Schritt zu gehen?

Im Grunde sollten ein allgemeines Interesse an Menschen aus anderen Kulturkreisen sowie die Offenheit für gewisse Situationen vorhanden sein. Um seine innere Ruhe zu behalten, sollte man in dem Bereich, in dem man eingesetzt wird, fachlich kompetent sein. Es ist zu erwarten, dass man über seine Grenzen gefordert wird. Aber durch eine gewisse Fähigkeit der Improvisation können sie erweitert werden. Man sollte sich vorher die Frage beantworten: „Fühle ich mich den möglichen Situationen gewachsen?“ Und was ich entscheidend finde: Die persönlichen Erfahrungen und Eindrücke, mit denen man zurückkommt, sind unbezahlbar.

Vielen Dank, Michael, dass Du Dir die Zeit genommen hast und Deine Erfahrungen mit uns geteilt hast.

Dr. Michael Brinkmann betreibt eine allgemeinmedizinische Praxis in Niederkassel-Rheidt. Seit mehr als 30 Jahren ist er nebenbei als ehrenamtlicher Arzt in Katastrophengebieten weltweit tätig. Sein Praxisteam und seine Familie stehen ihm dabei unterstützend zur Seite.

 


 

Wie werde ich ehrenamtliche Einsatzkraft?

Bei humedica sind mehrere hundert ehrenamtliche Einsatzkräfte registriert. Im Einsatzfall reisen medizinische Teams für bis zu 15 Tage aus. Diese bestehen aus medizinischen Fachkräften und organisatorischem Personal. Bevor eine ehrenamtliche Einsatzkraft entsandt wird, nimmt sie an einer Trainingswoche teil, um gut vorbereitet zu sein. Bei allen Einsätzen werden die Ehrenamtlichen intensiv durch ein Team von humedica betreut. 

Hast Du Interesse? Melde Dich unter training@humedica.org.

Porträt von Einsatzkraft Dr. Michael Brinkmann