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Sechs Monate ist es her, dass Sri Lanka den Atem anhielt. Der Angriff auf drei christliche Kirchen am Ostersonntag dieses Jahres hat das Land schwer erschüttert. Am wichtigsten Feiertag für die christliche Gemeinde verloren mehr als 250 Menschen ihr Leben. Unter den Toten waren auch viele Kinder. Kirchen wurden zerstört und sowohl Christen in Sri Lanka, als auch überall auf der Welt, waren zutiefst schockiert. Dr. Prithiviraj, Direktor von humedica Lanka, war inmitten der Tragödie um den Angehörigen Trost zu spenden und Hilfsgüter zu verteilen.Ein Interview anlässlich des Tages der Toleranz:

humedica: Dr. Prithiviraj, Sri Lanka wurde von hinterhältigen Terroranschlägen an einem so hohen Feiertag für Christen schwer getroffen. Trauer, Angst und Panik überschatteten den Ostersonntag. Wie geht es der Bevölkerung sechs Monate später?

Dr. Prithiviraj: Das sri-lankische Volk neigt dazu, Geschehenes zu verdrängen und mit seinem alltäglichen Leben bis zur nächsten Katastrophe fortzufahren. Dieses situative Verhalten entwickelte sich über viele Jahre als negatives Verhaltensmuster. Anstatt proaktiv zu reagieren und Katastrophen präventiv entgegenzutreten, wurden die Erinnerungen der letzten Monate verdrängt.

Dennoch war die Lage angespannt. Die vom Terror angefachten rassistischen Spannungen waren für die Bevölkerung spürbar. Die Angriffe hatten die Kirchen und die Bevölkerung in Sri Lanka tief gespalten.

Die Regierung sowie die Zivilgesellschaft haben zusammen mit internationalen Helfern ihr Bestes getan, um Vorurteile gegen andere Glaubensgemeinschaften zu entkräften.

Dr. Prithiviraj

Die Regierung sowie die Zivilgesellschaft haben zusammen mit internationalen Helfern ihr Bestes getan, um Vorurteile gegen andere Glaubensgemeinschaften zu entkräften. Vor allem die muslimische Gemeinschaft – obwohl diese nicht in die Anschläge involviert war - war mit diesem Vorurteil behaftet worden. Die Mehrheit der Christen, darunter auch die betroffenen katholischen Kirchen, predigte und demonstrierte die Botschaft der Vergebung.

Während des Massenbegräbnisses in Negombo hatte der Kardinal der christlichen Kirche zur Vergebung aufgerufen. Hass und Unsicherheit soll aus den Herzen und Köpfen der Anwesenden verbannt werden. Dennoch versäumte die christliche Kirche, die Mehrheit der muslimischen Gemeinschaft zu verteidigen.

Die Botschaft der Vergebung und Versöhnung war sehr wichtig - für die Kirche und für die Menschen, damit sie zu ihrem normalen Leben zurückkehren können. Zwar wurden die Sicherheitsbestimmungen im Land enorm verschärft, aber der Ausnahmezustand wurde mittlerweile aufgehoben. Auch der Tourismus hat wieder vermehrt zugenommen.

Die Bevölkerung bereitet sich derzeit auf die kommenden Präsidentschaftswahlen vor. Diese werden einen entscheidenden Einfluss auf das Land und den Fortschritt sowie die Zukunft Sri Lankas haben.

humedica: humedica Lanka war im direkten Kontakt mit den Betroffenen. Wie genau habt ihr die Menschen versorgt? Habt ihr die Menschen auch nach den Anschlägen weiter betreut?

Dr. Prithiviraj: humedica Lanka war eine der wenigen Organisationen, denen der Zutritt in das allgemeine Krankenhaus und die Leichenhalle gewährt wurde, wo die Verletzten behandelt und die Leichen kurz nach dem Angriff, zur Identifizierung aufgebahrt wurden.

Zugleich boten wir Aus- und Inländern, die bei den Anschlägen in den Hotels verletzt wurden, Soforthilfe an. Viele waren allein und hatten keine Verwandten, die seelischen Beistand leisten konnten. humedica Lanka hat versucht, diese Lücke zu füllen. 150 Patienten konnten wir in dieser Zeit mit unseren Notfallfonds helfen. Auch die Angehörigen der Opfer haben wir nicht vergessen. Insgesamt haben wir 300 Familien unterstützt. Unter anderem mit Stipendien, Weiterbildungen oder Schulsachen für betroffene Schüler. Psychosozialtherapie wurde durchgeführt, um 150 Schüler durch Kunsttherapie zu motivieren. Ganze Familien wurden ebenso durch Ausgabe Werkzeugen für den Erhalt ihrer Lebensgrundlage unterstützt.

Diese Aktivitäten haben wir gemeinsam mit verschiedenen Partnern im Rahmen des Community Builders Programme durchgeführt. Dies bietet einen toleranten und zugleich neutralen Ort, an dem Vertreter der verschiedenen Institutionen, wie verschiedene Religionsgemeinschaften und Vertreter des Staates zusammenarbeiten.

Zusammen mit dem Bereichssekretär Mawanella haben wir mehr als 1.000 Singhalesen, Muslime und Tamilen zu einem Musical eingeladen, welches Respekt und ein gemeinsames Miteinander zum Thema hatte. Dies war ein sehr erfolgreiches Event und viele andere sind noch in Planung.

humedica: In Blick auf die Zukunft für Sri Lanka: Was sind in diesem Fall Ihre persönlichen Wünsche, auch in Bezug auf das Christentum, anderen Religionen und Ethnien?

Dr. Prithiviraj: Mein persönlicher Wunsch ist ein vereintes Sri Lanka und ich möchte dazu beitragen, rassistische und religiöse Probleme zu überwinden und Brücken zu einer gemeinsamen Identität zu bauen.

Ich wünsche mir für die Kirche ein besseres Verständnis in Bezug auf "ganzheitliche & integrale Hilfe" für gefährdete Gemeinschaften. Für uns, das sri-lankische Volk, wünsche ich mir, dass wir uns über rassistische, sprachliche und religiöse Vorurteile erheben, um aktive Teilnehmer am Aufbau einer toleranten Nation zu werden. Durch Respekt und Würde können wir ein gemeinsames Miteinander schaffen.