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Ohnmacht. Alles wackelt, ein lautes Pfeifen und dann kracht es. "Ich konnte nichts fühlen. Sekunden scheinen wie eine Ewigkeit, ich zitterte, mein Herz raste." Tausende von Opfern beschreiben so ihre traumatischen Erlebnisse mit den vielen Erdbeben der vergangenen zwei Wochen in Mittelitalien.
Das Erdbeben am 6. April überraschte tausende Menschen in der Stadt L´Aquila mitten in der Nacht und brachte innerhalb von Sekunden großes Leid über sie. Noch am selben Tag flog humedica mit zwei Ärzten und Medikamenten in das Krisengebiet. Neben der ersten Hilfe am Ort, schloss sich unser Team der lokalen Evangelischen Allianz aus der Nachbarregion Pescara an.
Zusammen mit den Partnern konnten viele Betroffene schnell und unbürokratisch unterstützt werden. Und der humedica-Einsatz ist längst nicht vorbei: Mittelfristige Wiederaufbauhilfe ist bereits in der Planung. Obwohl sich der Staat sehr um die Menschen bemüht, gibt es immer wieder große Lücken in der Versorgung.
In L´Aquila und den Dörfern nahe der mittelitalienischen Stadt ist es ruhig. Nur wenige Menschen laufen durch die Straßen, Geschäfte und Restaurants haben geschlossen. Viele Häuser sind zerstört. Fassaden sind eingerissen. Die großen Risse lassen befürchten, dass die Häuser bei dem nächsten Beben wie ein Kartenhaus zusammenfallen. Feuerwehr und Polizei sind pausenlos im Einsatz, um Straßen und Häuser zu sichern.
Das Leben findet seit dem großen Beben am Montag vor Ostern in den vielen Notcamps in und rund um die Stadt statt. Zelte in kaltem Blau sind das neue Zuhause von mehr als 30.000 Menschen. Wie lange sie diesen Zustand überstehen müssen, weiß keiner. Ihr leerer Blick lässt schlimmes vermuten.
Die 68jährige Alba lebt mit ihrer Familie seit dem Beben in einem Zeltcamp vor ihrem Dorf Pianola bei L´Aquila. Alba wirkt auf den ersten Blick gesund. Erst als sie ihre Sonnenbrille abnimmt, fallen mir ihre tiefen, dunklen Augenringe auf.
Äußeres Zeichen für viele Tränen, große Sorgen und Angst vor einer unbestimmten Zukunft. Das erste große Beben und mittlerweile mehr als 300 Nachbeben haben ihr Haus zerstört, Lebensgrundlage für sie, ihren Mann und die Familie des Sohnes.
Alba lächelt ein wenig, als sie mir das Camp zeigt. "Ich schätze die Hilfe der Menschen, aber für mich und meine Schwiegertocher Cesanne mit ihren Kindern sind die neuen Lebensumstände trotzdem schrecklich.
Die Kleinen frieren besonders stark, können kaum schlafen." Und auch die psychische Belastung macht sich 12 Tage nach dem Beben immer stärker bemerkbar. "Wir sind Tag für Tag auf Hilfe angewiesen. Ohne dieses Camp und seine Helfer könnten wir nicht überleben. Aber wir fühlen uns schlecht, leer, hilflos, wie Bettler."
Es ist Ostern. Die 1000 Menschen im Camp warten im Gemeinschaftszelt auf das Mittagessen. Das Warten wird durch Programm und das gemeinsame Tischdecken verkürzt. Die von Kindern gebastelte Tischdekoration erinnert an das Osterfest. Trotz den Schrecken der vergangenen Woche soll es gefeiert werden.
Alba und ihre Familie laden uns ein. "Frohe Ostern!" Albas Schwester bringt einen Kuchen mit, den ihr eine Nachbarin von zu Hause gebacken hat. Der selbst gemachte Kuchen ist in dieser Woche ein Luxus für die Schwester. Großzügig bietet sie Jedem ein Stück an. Sie freut sich etwas geben zu können. Seit sie durch das Beben fast alles verloren hat, muss sie immer nur nehmen. Sie ist innerhalb von Sekunden zu einer Bedürftigen geworden.
Die Beben haben den Menschen nicht nur Angehörige sowie Hab und Gut genommen. Viele Menschen haben auch ihren Arbeitsplatz verloren, weil er zerstört wurde. Mit nichts in der Hand muss das Leben nun weiter gehen.
Vor dem Gemeinschaftszelt des Camps läuft eine Frau mit roten Augen zu einer der Plastiktoiletten. Ein junger Mann sitzt vor der Zeltstadt in seinem Auto. Starr blickt er geradeaus. Die Postkartenidylle mit den noch immer weiß bepuderten Bergen am Horizont ist geradezu zynische Kulisse unzähliger trauriger Momente. Sichtbarer und unsichtbarer Momente.
Auf dem Parkplatz steht eine Gruppe von Jugendlichen. Angeregt unterhalten sie sich. "Ich hasse es", platzt es aus der 20jährigen Pamella heraus. "Das sind meine Freunde", sagt sie und zeigt auf die anderen neben sich. "Seit Tagen hocken wir aufeinander. Ständig gibt es Streit aus Langeweile. Ich will nach Hause in mein Zimmer." Sie denkt zurück und sieht dann traurig in die Realität: "Unser Haus ist zerstört. Ich kann nicht zurück."
Die 19-jährige Gina erzählt leiser Stimme, dass sie durch das Erdbeben ihren Vater verloren hat. Er wohnte in L´Aquila. Sein Haus ist komplett eingestürzt. "Hier im Camp kannst du deine Trauer gar nicht richtig wahrnehmen, weil das eigene Leben auf dem Kopf steht." Sie presst die Lippen aufeinander.
Ihre Augen füllen sich mit Tränen. Pamella zieht ihre Sonnenbrille auf und lacht laut, als sie ihren Freund ärgert. Zwischen Leid, Langeweile und Lachen. "Was soll man sonst machen", fragt sie mit einem Schulterzucken. "Das ist unser Leben."
Zwei Tage später ruft mich Alba mit ihrem Handy an. Es fällt ihr schwer zu fragen, ob es möglich wäre für ihre Familie einen Campingkocher und eine kleine Stehheizung zu besorgen. Ihr Gesundheitszustand hat sich rapide verschlechtert. Sie leidet unter einer chronischen Krankheit und muss regelmäßig essen.
Ihre kleinen Enkel brauchen viel warme Milch in der Kälte. Seit Ostern hat sich das Wetter verändert: es ist noch einmal deutlich kälter geworden. Decken und kleine Heizungen wurden verteilt, doch sie reichen bei weitem nicht aus, die Menschen vor Kälte und Nässe zu schützen.
Durch die Hilfe von humedica bekam Albas Familie eine zusätzliche Stehheizung für ihr Zelt sowie einen Campingkocher, um der Familie das Leben unter den erschwerten Bedingungen zu erleichtern.
humedica wird in den kommenden Wochen und Monaten gemeinsam mit den Partnern von der örtlichen Evangelischen Allianz weitere Hilfe für die Betroffenen des Bebens starten. Darunter auch das Projekt "Stein auf Stein", das insbesondere den Wiederaufbau einer Kindertagesstätte zum Ziel hat. Darüber hinaus sollen betroffene Familien beim Aufbau ihrer Häuser unterstützt werden.
humedica bittet alle Freunde und Förderer auch weiterhin um gezielte Spenden für unser Engagement in Italien:
humedica e. V.
Stichwort "Erdbeben Italien"
Konto 47 47
BLZ 734 500 00
Sparkasse Kaufbeuren
Bitte spenden Sie auch online für die Erdbebenopfer in Italien. Vielen herzlichen Dank für jede Form der Unterstützung.
Judith Kühl war über knapp eine Woche Koordinatorin für die humedica-Nothilfe in den Abruzzen. Die Studentin aus Tübingen absolvierte zuvor ein Praktikum im Bereich Public Relations und war intensiv in den Arbeitsalltag von humedica eingebunden. Das Team in der Hauptzentrale Kaufbeuren möchte sich an dieser Stelle herzlich für Dein Engagement bedanken, liebe Judith. Alles Gute und Gottes Segen für Dich!