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„Wenn ich jetzt nach Hause fahre, bin ich auch ein bisschen traurig, denn ich verlasse viele Menschen, die ich mag und zu denen ich eine Bindung aufgebaut habe“, erzählt Rebekka. Sie hat für humedica und die niederländische Organisation Bootvluchteling (Boat Refugee Foundation) die vergangenen sieben Wochen Flüchtlinge im größten Flüchtlingslager Europas, in Moria auf der griechischen Insel Lesbos, medizinisch versorgt. Ausgelegt ist das Camp für etwa 3.000 Menschen, es leben allerdings geschätzt rund 20.000 Menschen hier. Viele von ihnen werden Rebekka in Erinnerung bleiben.

Wie Rebekka die Zeit auf Lesbos erlebt hat, hören SIe in diesem Podcast von RSA-Radio

Zum Beispiel die Frau, deren Verband sie die vergangenen zehn Tage regelmäßig gewechselt hat. In einer kalten Nacht hatte sie ihr Zelt mit einem Ofen heizen wollen. Dabei wurde der Ofen allerdings so heiß, dass das Zelt Feuer zu fangen drohte. Um ihre Kinder und ihr gesamtes Hab und Gut zu retten, packte die Frau den Ofen und warf ihn aus dem Zelt. Schwere Verbrennungen waren die Folge – aber sie und ihre Familie sind am Leben.

„Die Helden sind nicht nur die Mediziner, die hier jeden Tag Dienst tun“, sagt Rebekka. „Es sind vor allem die Bewohner, die einen beschwerlichen Weg hinter sich haben und hier Tag für Tag ausharren. Die Dankbarkeit für das, was wir hier tun, ist unglaublich groß“, erzählt Rebekka. Beeindruckt ist sie auch von der Solidarität der Menschen untereinander. „Da war dieser Mann, der eine schwere Fußverletzung hatte und deshalb nicht laufen konnte. Er bekam von uns Gehhilfen. Ein paar Tage später humpelte er ohne seine Krücken in unsere Medizinstation. Es ginge ihm besser, erzählte er, und dass er die Krücken an seinen Nachbarn weitergegeben habe. Der brauche sie jetzt dringender.“

Die Menschen im Lager haben Angst vor Corona. Sie wissen nicht viel über das Virus, das derzeit die Welt in Atem hält. Aber sie wissen: Wenn es hier in Moria ausbricht, können sie ihm nicht viel entgegensetzen. Ausreichend Abstand halten ist völlig unmöglich in diesem Lager, in dem viel zu viele Menschen auf engstem Raum zusammenleben, sich an Hygieneregeln halten ebenfalls. Rebekka und ihre Kollegen informieren viel über die Vorsichtsmaßnahmen, erklären auch, wie man sich richtig die Hände wäscht. Das ist aber schwierig, wenn nicht genügend Wasserstellen vorhanden sind – und auch Seife Mangelware ist. Eine andere Hilfsorganisation näht mit den Menschen Mundschutze. Doch bis jeder Bewohner zwei Stück hat und diese auch adäquat reinigen kann, wird noch sehr viel Zeit vergehen. Die Gesundheitsstation hat auf Corona reagiert: Wer hierherkommt, muss sich am Eingang die Hände waschen. Wer Corona-ähnliche Symptome zeigt, wird separiert und im provisorischen Behandlungszimmer am Klinikeingang behandelt. Seit kurzem gibt es nun auch Isolations-Container, wo Menschen isoliert werden können, bis die Corona-Testergebnisse vorliegen.

„Spätestens wenn wir hier einen Corona-Ausbruch haben, fehlen dringend Einsatzkräfte“, erzählt Rebekka. Die meisten Helfer, die für solch einen Einsatz in Frage kommen würden, werden in ihren heimischen Gesundheitssystemen benötigt. Außerdem muss jeder, der sich bereit erklärt, hier mitzuarbeiten, vor und nach dem Einsatz jeweils zwei Wochen in Quarantäne. „Bei zwei Wochen Einsatz müssen die Helfer in der Heimat also mindestens sechs Wochen abkömmlich sein. Wer ist das schon?“ fragt Rebekka.

Wenn Rebekka jetzt zurückfliegt, überwiegt für sie vor allem Dankbarkeit. „Ich bin mir in dieser Zeit wieder viel bewusster geworden, wie gut es mir geht“, sagt sie. Auf sie warten zuhause jetzt erstmal zwei Wochen Quarantäne.