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„Lassa-Fieber in Berlin ausgebrochen“, las mir meine Frau beim Frühstück aus der Sonntagszeitung vor. „Ach, das ist weit weg von uns hier im Bayerischen Wald und nach Berlin will ich in nächster Zeit eh nicht“, antwortete ich. „Nicht in Berlin. In Benin!“ korrigierte sie mich.

Benin, das war schon brenzliger, denn dahin sollte es in wenigen Tagen im Rahmen eines Gefängniseinsatzes mit humedica für mich gehen. Also ran an den Rechner, Informationen einholen: Ist das ganze Land schon in Quarantäne? Was schreibt das Auswärtige Amt? Wird der Einsatz storniert? Nach Rücksprache mit den Projektverantwortlichen bei humedica gab es schließlich Entwarnung: Es handele sich um einzelne Fälle im Norden des Landes, in einem Gebiet, in dem Lassa ohnehin endemisch sei.

Und so konnte die Reise losgehen. Von verschiedenen Flughäfen Deutschlands kommend, trafen wir als achtköpfiges Team in Istanbul ein, und lernten uns dort erstmals kennen. Am späten Abend trafen wir dann in Cotonou, der größten Stadt Benins ein. Ignacio, der Ansprechpartner unserer lokalen Partnerorganisation Oredola e.V., begrüßte uns freudig. Hatte bisher dank Ignacios hervorragender Organisation alles gut geklappt, entpuppte sich das Loseisen unserer Medikamente aus dem Zoll nun als schwierig und langwierig. Kurzum, es dauerte zwei Werktage, bis wir die Medikamente hatten und mit unserer eigentlichen Mission starten konnten.

Passable Situation im Vorzeige-Gefängnis Akpro-Missérété

Unsere erste Station war das Gefängnis Prison civile Akpro-Missérété in Porto Novo, der eigentlichen Hauptstadt Benins. Auf Sandpisten gelangten wir zum Gefängnis, wo uns etwa 1.500 Gefangene erwarteten. Das Gefängnis schien gut organisiert mit einer Einteilung der Gefangenen in Wohnbereiche. Die Gefangenen hatten jeweils ein Bett mit Matratze und Moskitonetz zum eigenen Gebrauch. Die Gesamtsituation war ob der Umstände akzeptabel, es schien ausreichend Mahlzeiten zu geben und auch die sanitären Anlagen waren passabel – später erfuhren wir, dass Akpro-Missérété eine Art Prestigeobjekt des Innenministeriums war. Hierher wurden auch sonst Besucher gebracht, daher war der Ort vergleichsweise gut ausgestattet und organisiert.

Die etwa 500 Gefangenen, die wir in den vier Tagen hier untersuchten, wurden jeweils medikamentös versorgt und, wenn nötig für weiterführende Maßnahmen vorgemerkt – sei es für Zahnarztbesuche, ausstehende Operationen oder in einigen Fällen zur weiteren Abklärung eins HIV- oder Tbc-Verdachtes. Vorrangig begegneten uns Hauterkrankungen, sexuell übertragbare Krankheiten sowie Infekte und Erkrankungen des Magen-Darm-Trakts. Sehr von Hilfe waren uns vier einheimische Germanistikstudenten, die uns während des gesamten Einsatzes begleiteten und von Deutsch auf Französisch bzw. in die einheimischen Sprachen übersetzten.

Billy, Michael, Prince und Rashid – ihr seid genial, vielen Dank für Eure Unterstützung!

Nach vier Tagen wechselten wir den Einsatzort. Die sehr herzliche Verabschiedung durch die Gefangenen und das Gefängnispersonal ließ uns mit dem Gefühl abreisen, in Akpro-Missérété etwas Substanzielles erreicht zu haben.

Prekäre Verhältnisse in Abomey-Calavi

Im Prison civile Abomey-Calavi sah die Situation dann ganz anders aus: Die Bauart war ähnlich wie in Akpro-Missérété, doch damit endeten die Gemeinsamkeiten der beiden Gefängnisse auch schon.

Die Krankenstation war bis auf vereinzeltes, heruntergekommenes Mobiliar leer geräumt. Sollte es hier jemals eine medizinische Einrichtung gegeben haben, so war diese gewandert – und zwar aus dem Gefängnis heraus. Sogar der Abfluss des Waschbeckens auf der Toilette war abhandengekommen. Noch da waren zwei Damen, die sich als die Krankenschwestern des Gefängnisses vorstellten. Der Landessprachen mächtig und die Verhältnisse vor Ort kennend, übernahmen sie die Registrierung der Gefangenen. Die Gefängnisleitung trafen wir bis zum Ende unseres viertägigen Aufenthaltes nicht persönlich.

Dafür aber Herrn Eric, den stellvertretenden Präsidenten des Parlaments in Porto Novo. Er hatte im Vorfeld bereits mit Ignacio die Gefängnisse besucht und unseren Einsatz mitorganisiert. Dank seines bürokratischen wie politischen Einflusses ging vieles gut voran. Mit ihm trafen wir uns fortan allmorgendlich zum gemeinsamen Frühstück und Austausch über unsere Arbeit.

Merci et au-revoir!

Die Arbeit in Abomey-Calavi war intensiv und fordernd. Die Krankheitsbilder waren ähnlich wie in Akpro-Missérété, gepaart mit Folgeerscheinungen der wohl schlechten Ernährung und psychischen Belastung. Unter den Gefangenen waren hier auch Frauen und Kinder, die allesamt starke Erkrankungen aufwiesen, sodass sich unser Medikamentenvorrat bei rund 850 Patienten rasch aufbrauchte. Vor allem einfache Mittel wie Antibiotika, Vitaminpräparate und Schmerzmittel wurden gebraucht. Nichts war in der Gefängnisapotheke vorhanden. Die Liste für weiterführende Behandlungen wurde immer länger: Hoden- und Leistenbrüche, Analprolapsen, desolate Zahnzustände – um nur ein paar Beispiele zu nennen.

Zudem gab es viele Malaria-Fälle. Warum das so war, erklärte sich nach einem Rundgang am vorletzten Tag: Schlafsäle mit 200 Insassen, die sich nur 40 Betten teilen müssen, zwei Duschen und zwei Toiletten. Es gab keine Moskitonetze und auch keine Deckenventilatoren, was es Moskitos und ihren Erregern leicht macht, die Gefangenen zu infizieren. Unsere Malariatests, solange noch vorrätig, zeigten dementsprechend oft positive Ergebnisse und waren durch die vielen Verdachtsfälle rasch aufgebraucht.

Unser Einsatz näherte sich dem Ende. Etwas deprimiert verließen wir Abomey-Calavi. Nicht, weil wir nicht effektiv gearbeitet hätten, sondern weil die Lage vor Ort so trostlos war. Beim Verlassen des Gefängnisses lasen wir über dem Hauptportal: „Merci et au-revoir!“. Für die Häftlinge ein schlechter Witz, für uns die Hoffnung, dass unser medizinischer Einsatz hier nicht der letzte war.

Mit Gottes Segen

Die Arbeit von humedica kann zwar nur ein kleiner Teil sein, aber ein wesentlicher und vorbildhafter. Wir hoffen daher, dass noch viele solche Einsätze stattfinden können – in Benin, aber auch in anderen Ländern, in denen sich die Verhältnisse und Probleme ähneln. Gott gebe seinen Segen und seine Leitung dazu, so, wie Er uns als Team durch die zwei Wochen geführt und sicher bewahrt wieder nach Hause gebracht hat.