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Knapp 18 Tonnen Hilfsgüter konnte humedica Mitte Oktober durch einen Charterflug vom Allgäu Airport Memmingen in das von einer langen Dürre geplagte Somaliland transportieren. Eine für die Betroffenen der Hungerskrise überlebenswichtige Hilfsmaßnahme und gleichzeitig eine enorme logistische Herausforderung, die dank des Einsatzes unseres ehrenamtlichen Koordinators Bernhard Settele erfolgreich gemeistert werden konnte.

Was ihn dazu bewegt hat, den heimatlichen Schreibtisch im Allgäu für eine Woche gegen die nicht ganz ungefährlichen Aufgaben in Ostafrika zu tauschen, verrät er im kurzen Interview.

Bernhard, weshalb hast Du Dich nach der Anfrage von humedica als Koordinator für den Hilfsgüterflug gemeldet?

humedica-Pressesprecher Steffen Richter hat bei mir direkt nachgefragt, ob ich mir einen Einsatz als Medienkoordinator vorstellen kann, der den Transport begleitet und mitfliegende Journalisten betreut. Für mich klang der Einsatz insofern spannend, da ich den Weg der Hilfsgüter komplett begleiten und auch vor Ort die Verwendung verfolgen und dokumentieren konnte. Die logistische Seite war ja seitens humedica komplett erledigt und mit den Partnern vorbereitet worden, so dass ich mich darauf konzentrieren konnte, die Hilfsmaßnahmen zu dokumentieren und durch eigene Fotos und Videos sowie durch die begleitenden Journalisten auf diese vergessene Krise aufmerksam zu machen. Schließlich sind Menschen in Katastrophen darauf angewiesen, dass man sie nicht vergisst – besonders im schnelllebigen Alltag unserer heutigen Nachrichten.

„Es ist extrem spannend, aber auch herausfordernd, den schmalen Grat zwischen Dokumentation der Sachlage und Voyeurismus der Not anderer Menschen nicht zu überschreiten."

So schlecht das jetzt klingt, aber manchmal erfordert es tatsächlich auch Mut, etwas zu fotografieren, was man sonst aus Respekt dem anderen Menschen gegenüber nicht fotografieren würde.

Welchen Aufgaben hattest Du neben der Berichterstattung dann vor und während des Einsatzes als Koordinator zu erledigen?

In der Vorbereitung war erstmal Recherche zum Thema Somaliland angesagt. Auch mir war nicht wirklich bekannt, dass Somaliland eine de facto eigenständige, demokratische Republik ist und mit den chaotischen Zuständen Somalias erstmal nichts zu tun hat. Dazu kamen eben noch die üblichen Vorbereitungen vor einem Einsatz. Das Packen entsprechender Ausrüstung und eine persönliche medizinische Vorsorge sind obligatorisch.

Nachdem der Landung unseres Fliegers in Hargeisa, war es mir natürlich auch wichtig, die Balance zwischen den nötigen Sicherheitsvorkehrungen, den entsprechenden Empfehlungen unserer lokalen Partner und den Interessen der begleitenden Journalisten zu vermitteln und allem gleichermaßen gerecht zu werden. Das hat aber dank höchster Professionalität auf allen Seiten wunderbar geklappt – das hätte auch ganz anders ausgehen können. Die für dort fast luxuriösen, für mitteleuropäische Verhältnisse aber recht einfachen Unterkunfts- und Verpflegungsumstände waren zum Glück für kein Mitglied unseres Teams ein Problem.

Was hat Dich in diesem Einsatz am meisten beeindruckt oder vielleicht erschrocken?

Am beeindruckendsten waren sicher die Menschen in Somaliland. Sie sind durch den Klimawandel unverschuldet in Not geraten und durch die fehlende internationale Anerkennung ihres Staates von der Teilnahme am internationalen Geldmarkt und den entsprechenden Institutionen ausgeschlossen. Trotzdem waren alle unglaublich freundlich und mitteilungsbedürftig. Jeder, mit dem wir sprachen, hatte das Anliegen, dass auf ihr Land und ihre Situation aufmerksam gemacht wird. Die Kamera und das Mikrofon der Journalisten waren sehr willkommen und fast jeder hatte etwas zu erzählen. Ob mit Händen und Übersetzer oder in oft recht gutem Englisch.

Angenehm war sicher auch die Professionalität und Entschlossenheit unserer Partner vor Ort. Alle Mitarbeiter von World Concern die ich treffen durfte, waren mit einer ansteckenden Leidenschaft und Energie zugange. Ob im Büro oder im Feld: Unser Besuch und auch die Logistik in der Weiterverwendung der mitgebrachten Hilfsgüter waren perfekt vorbereitet und wurden professionell durchgeführt.

Überraschend gut war das Mobilfunknetz – das hätte ich so nicht erwartet. Es ist aber wohl logisch, dass das heutzutage eine der wichtigsten und vergleichsweise einfach zu installierenden Maßnahmen ist, um die Kommunikation im Land sicherzustellen. Zumal zunehmend Somalis, die in Europa, den USA oder Kanada gelebt hatten, mit Geld und Ideen zurückkommen und ihre Heimat wieder aufbauen wollen. Da ist Kommunikation eines der wesentlichen infrastrukturellen Dinge.

Erschreckend war der zum Teil noch recht desolate Zustand der Straßen und Häuser, selbst in der Hauptstadt. Nach über 25 Jahren relativem Frieden sind noch wirklich viele Spuren der kriegerischen Auseinandersetzungen von 1991/92 zu sehen, und sei es nur in Form von Schutthaufen und holprigen Straßen in der Hauptstadt Hargeisa.

Das hat natürlich mit der vorhin genannten fehlenden internationalen Anerkennung und dem deshalb mangelhaften Staatshaushalt zu tun. Mit einem Budget von etwa 35 Millionen US Dollar jährlich kann selbst ein kleines Land mit geschätzten drei Millionen Einwohnern keine großen Sprünge in der Infrastruktur machen. Zumal ein Großteil des Budgets für Militär und Sicherheit ausgegeben wird, um nicht in den Sog des chaotischen Nachbarn Somalia gezogen zu werden.

Je weiter wir ins Land gefahren sind, desto dürftiger wurden natürlich auch die Zustände. Kleine Dörfer am Rande der Hauptstraße gingen noch. Die Lager der durch die Dürre heimatlos gewordenen Nomaden, die überall zu sehen waren, waren jedoch erschreckend dürftig.

„Die „Zelte“ der Nomaden sind in der Regel nur aus Sträuchern und Plastikplanen zusammengesteckt und direkt dem Wind und der Sonne ausgesetzt. Darin und dazwischen tummeln sich Familien und Kinder. Viele davon deutlich unterernährt."

Die Hilfe von außen ist hier besonders nötig. Die hochkalorische Nahrung aus unserem Transport, aber auch die medizinischen Hilfsgüter für die lokalen Mutter-Kind-Klinken sind dort sehr gut aufgehoben. Wie gesagt, alle lokalen Kräfte, ob die Mitarbeiter der NGOs oder der Ärzte und Pfleger im Krankenhaus, sind sehr engagiert bei der Sache.

Zu guter Letzt noch ein Hoffnungsschimmer: Ich hatte bei unserer Ankunft die Gelegenheit, mit Mitarbeitern des Gesundheitsministeriums zu sprechen. Auch hier hatte ich den Eindruck, dass in die Zukunft gedacht und an sehr sinnvollen mittel- bis langfristigen Lösungen gearbeitet wird. Vom Brunnenbau und der Einrichtung von Regenerationsbereichen für die durch die Dürre geschundene Natur, bis hin zu einem Fokus auf Erziehung und Weiterbildung der Bevölkerung, um sie in Vorratshaltung und nachhaltiger Landwirtschaft zu schulen, war die Rede. Und natürlich davon, endlich als unabhängiger Staat anerkannt zu werden, um international auf Augenhöhe agieren zu können. Dafür braucht es Bilder und Worte. Mit mehreren Beiträgen im ZDF und den Berichten von humedica haben wir hoffentlich einen kleinen Teil davon erfolgreich erledigen können.