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Als Hurrikan „Matthew“ mit Geschwindigkeiten von über 200 km/h über die Karibik fegte und eine Schneise der Zerstörung hinterließ, reagierte humedica sofort und entsandte ein Erkundungsteam in das am schwersten betroffene Land Haiti. Wie die Arbeit der deutschen Helfer in dem ohnehin bitterarmen Land funktioniert und welche Herausforderungen ein Einsatz im Katastrophengebiet mit sich bringt, beschreiben die Mitglieder des humedica-Teams im tagesaktuellen Einsatzblog.

Nora Parasie: Cholera?

28. Oktober 2016

Heute hat Dr. René seinen ersten Arbeitstag in der Gesundheitsstation in Baradères. Krankenschwester Valérie wird am Montag ihre Arbeit beginnen. Beide wurden durch humedica und dank der Unterstützung des Auswärtigen Amts eingestellt, um die Patienten auch nach der Abreise der deutschen Einsatzteams in der Gesundheitsstation zu versorgen.

Unser Team hat heute den letzten Tag in Baradères. Meine Kolleginnen Eva und Maike nehmen sich für die Übergabe an Dr. René Zeit. Wir alle freuen uns, dass wir nach den drei deutschen medizinischen Teams die Arbeit nun an lokale Mitarbeiter übergeben können.
Während des Übergabe kommt es plötzlich zu großer Aufregung: Dorfbewohner bringen einen alten Mann in die Gesundheitsstation.

Seine Diagnose haben die Bewohner bereits im Dorf gestellt: Cholera. Alle sind alarmiert. Ich informiere unsere Partnerorganisation Ärzte ohne Grenzen, die in den vergangenen Wochen alle Vorbereitungen für einen Choleraausbruch getroffen haben. Innerhalb von Minuten werden die notwendigen Maßnahmen getroffen. Der Patient wird in ein Isolierzimmer gelegt, der Fußboden, unsere Schuhsohlen und unsere Hände mit Chlor abgesprüht. Es ist schwierig, die neugierigen Patienten vom Isolierzimmer fernzuhalten. Man merkt deutlich, dass die Menschen in Baradères für das Thema Cholera sensibilisiert sind. Immerhin gab es die Krankheit bis April 2016 in der Region. Uns allen ist klar: Wenn der Patient tatsächlich Cholera hat, ist das der Beginn eines neuen Ausbruchs.

Während der kranke Mann bestmöglich versorgt wird, behandeln Dr. René und Dr. Vladimir die anderen wartenden Patienten. Einfühlsam und genau hören sie sich die Nöte und Beschwerden der Patienten an. Wir haben ein gutes Gefühl als deutsches medizinisches Team heute Baradères zu verlassen. Und dann erhalten wir noch die erleichternde Nachricht: Der alte Mann hat doch kein Cholera. Gott sei Dank!

Nora Parasie: Die langen Folgen des Hurrikans

27. Oktober 2016

Der Warteraum der Gesundheitsstation in Baradères ist auch an diesem Morgen wieder voll. Während unser Team die Medikamente für den Tag richtet, teilt die lokale Ordensschwester Judith 90 Nummern an die wartenden Patienten aus. Es kommt zu großer Aufregung und lautstarken Diskussionen: Jeder möchte eine möglichst niedrige Nummer haben, um schnell behandelt zu werden. Die Situation ist chaotisch.

Doch plötzlich kehrt Ruhe ein: Alle Nummern sind ausgeteilt und Schwester Judith singt und betet gemeinsam mit allen Wartenden. Die Patienten nehmen aktiv Teil, jeder hat einen Warteplatz gefunden. Ich bin beeindruckt, wie ruhig es geworden ist. Nichts lässt mehr erahnen, was noch vor wenigen Minuten hier los war.

Dann geht es los und unser Team beginnt mit den Behandlungen. Vor drei Wochen verwüstete Hurrikan "Matthew" die Gegend um Baradères und noch heute kommen Patienten, deren Verletzungen seither noch nicht behandelt wurden. Da ist etwa eine 64-jährige Frau, die kaum laufen kann, weil sie während des Hurrikans barfuß auf einen Nagel getreten ist. Heute ist ihr Fuß komplett vereitert.

Mehrere Patienten haben frische Wunden von Unfällen mit Macheten. „Viele Wege sind noch von umgefallenen Bäumen blockiert. Wir müssen sie irgendwie wegschlagen", erklärt mir ein Verletzter. Unsere Ärztin Eva hat zunehmend Patienten mit Gastritis, weitere klagen über Schlafstörungen. Einmal mehr wird unserem Team und mir heute deutlich, wie sehr die Menschen physisch, aber auch psychisch unter den Folgen des Hurrikans leiden.

Nora Parasie: Schwankender Empfang

25. Oktober 2016

Es ist sechs Uhr morgens und ich höre wie draußen die ersten Patienten in der Gesundheitsstation eintreffen. Gleichzeitig stelle ich fest, dass das Handynetzwerk zusammengebrochen ist. Vor zwei Tagen war kein Transport von oder zu unserem Standort Baradères möglich. Heute ist keine Kommunikation möglich. Ich aktiviere das Satellitentelefon und finde schließlich auf dem Dach der Gesundheitsstation Empfang. Ich bin erleichtert, dass zumindest diese Notmöglichkeit funktioniert.

Eine halbe Stunde später ist der Warteraum der Gesundheitsstation voll. Beim Frühstück ist allen Teammitgliedern klar: heute ist wieder voller Einsatz gefragt. Unser Team freut sich, dass uns viele Patienten bestätigen, hier genau am richtigen Ort zu sein. Voller Energie geht es an die Vorbereitungen: Medikamente werden sortiert und bereitgestellt, Behandlungsräume eingerichtet.

Um acht Uhr singt und betet unsere Gastgeberin und Ordensschwester Judith mit den wartenden Patienten. Anschließend bittet sie sie um Geduld und Disziplin beim Warten. Dann verteilt sie Nummern an die Patienten, nach denen unser Team heute einen Patienten nach dem anderen behandeln wird.

Während Vladimir, Eva und Maike Patienten behandeln ist mir etwas mulmig zumute. An das Handy als einziges Arbeitsmittel hatte ich mich inzwischen gewöhnt. Alle Berichte, Statistiken und Weiterplanungen des Projekts organisiere ich damit. Doch heute bin ich allein auf das Satellitentelefon angewiesen. Bei der Nutzung des riesigen Geräts mit schwankendem Empfang merke ich wieder, dass man sich in einem Katastrophengebiet auf nichts verlassen kann.

Bei vielen Anfragen warte ich dringend auf Antworten, die ich nun nicht erhalten kann: Ist unser Notfall von gestern heil im Krankenhaus angekommen? Hat mit der Abreise unseres Vorgängerteams heute früh alles geklappt? Wie regle ich den Transport für die morgen ankommende Koordinatorin? Wann ist das nächste Gesundheitstreffen für unsere Region? Wie lange bleibt mir nur das Satellitentelefon? Fragen über Fragen schießen mir durch den Kopf. Ich kläre das Notwendigste und bereite Patientenstatistiken, Dokumentationen über Sonderfälle und Berichte vor.

Um zwölf stärkt sich das Team bei einer kurzen Mittagspause. Währenddessen vibriert es - das Netzwerk funktioniert wieder und die Nachrichten der letzten Stunden treffen ein. Ich bin erleichtert und werde bis abends damit beschäftigt sein alles aufzuarbeiten. Maike und Eva behandeln weiter und kümmern sich erneut um viele Infektionen, Pilzerkrankungen sowie infizierte und frische Wunden. Gegen Nachmittag rücken die wartenden Patienten immer näher an die Tür des Behandlungszimmers und auch die Stühle aus dem Wartebereich stehen inzwischen direkt vor dem Raum. Vor der Tür drängeln sich mehrere Patienten. Keiner möchte mehr im Wartebereich sitzen, die Angst ist zu groß heute nicht mehr behandelt zu werden.

Unserem Team macht die Lautstärke vor ihrem Zimmer zu schaffen. Mit unserem Übersetzer Osman bitte ich die Patienten immer wieder im Wartebereich Platz zu nehmen und vergewissere ihnen, dass sie alle noch behandelt werden. Mein freundliches Zureden hat wenig Erfolg, die Tür des Behandlungszimmers ist wie ein Magnet.

Um kurz vor sechs ist es bereits dunkel geworden. Unser medizinisches Team behandelt die letzten Patienten mit Taschenlampe. Alle sind erschöpft und froh: 90 Patienten konnte heute geholfen werden. Wir stellen fest, dass Infektionen, Pilz- und Atemwegserkrankungen zwar zunehmen, aber: Es gab keine Patienten mit Durchfall oder Cholera. Hurra!

Nora Parasie: Neues Leben

23. Oktober 2016

Auch heute hat unser Team wieder gut zu tun, obwohl die Gesundheitsstation sonntags eigentlich geschlossen hat. Unsere Partnerorganisation Ärzte ohne Grenzen fährt mit Booten durch Baradères und klärt die Menschen darüber auf, nur noch aufbereitetes Wasser zu nutzen und bittet sie, zu humedica in die Gesundheitsstation zu kommen, wenn sie Durchfall oder andere Krankheitssymptome haben. Alle sind erleichtert, dass es bisher keine Cholerafälle gibt und auch Durchfall-Erkrankungen Einzelfälle bleiben.

Am Nachmittag kommt es dann noch zu großer Aufregung in der von uns betreuten Gesundheitsstation. Der lokale Arzt Dr. Vladimir begleitet eine Frau bei einer Geburt. Kurze Zeit später gibt es Komplikationen und es ist der Einsatz des gesamten humedica-Teams gefragt, als das Neugeborene für längere Zeit nicht atmet. Doch dann die Erleichterung: das Baby lebt! Wir sind überglücklich.

Nora Parasie: Ein langer Tag

22. Oktober 2016

Heute Morgen ist es hell und es scheint die Sonne. Wir sind begeistert! Regulär ist die Gesundheitsstation samstags zwar geschlossen, aber unser Team steht natürlich trotzdem bereit. Schnell füllt sich der Wartebereich: Unsere Krankenschwester Maike ist heute wieder den ganzen Tag über mit Wundversorgungen beschäftigt.

Ein 13-jähriger Junge hat den Hurrikan in einer provisorischen Unterkunft verbracht. Er war barfuß, als ihn eine Welle Wasser und ein Stück Wellblech am Fuß verletzt haben. Inzwischen ist sein Fuß bis zur Achillessehne entzündet. Wir sind sehr besorgt. Schnell ist klar, dass eine Weiterbehandlung im Krankenhaus notwendig ist, um den Fuß zu erhalten und keine Sepsis zu riskieren. Ich nehme Kontakt zur nächsten Klinik auf und erhalte gute Nachrichten: Obwohl sie bereits voll sind, werden sie sich direkt um unseren jungen Patienten kümmern. Allerdings bleibt noch die Herausforderung, wie er dorthin kommt. Die einzige Möglichkeit ist, dass ihn ein Motorrad zwei Stunden über die kaum befahrbare, aufgeweichte Straße zum Krankenhaus bringt. Wir hoffen er kommt dort heil an!

Abends erhalte ich die Nachricht, dass der Junge das Krankenhaus erreicht hat. Ich bin erleichtert. Der Tag für unser Team wird lang. Mit Kopflampe näht Dr. Vladimir die letzte Wunde, Maike verbindet noch einen Finger und Eva behandelt eine Frau mit Krätze.

Heute freuen sich alle besonders über ihren Eimer Wasser zum Duschen und die Nudeln, die die Nonnen für uns gekocht haben. Anschließend fallen alle erschöpft ins Bett.

Nora Parasie: Wasser bis zum Bauchnabel

21. Oktober 2016

Für mich und mein Team ist es der zweite Arbeitstag in der Krankenstation in dem haitianischen Ort Baradères. Gestern haben unsere Krankenschwester Maike und Ärztin Eva viele Patienten behandelt, darunter viele Wundverletzungen, Atemwegserkrankungen und Infektionen.

Heute Morgen ist es anders und es sind keine Patienten in der Gesundheitsstation. Der Grund: unaufhörlicher heftiger Regen. Als hätten die Menschen hier nicht schon genug mit dem Wasser zu kämpfen! Gerade war der durch Hurrikan „Matthew“ verursachte Fluss im Dorf verschwunden, schon steht einem heute das Wasser wieder bis zum Bauchnabel. Weder zu Fuß, noch mit dem Auto oder Motorrad ist der Ort passierbar. Schon in der Nacht wurden wir von einem Hochwasseralarm wach. Die Menschen die durch den Hurrikan jetzt kein Dach mehr über dem Kopf haben, fanden in der Gesundheitsstation Schutz. Ein Glück, denn allein die Vorstellung, wie einige Menschen in ihren provisorischen oder kaputten Häusern eingeregnet werden, ist furchtbar und uns doch unmittelbar präsent.

Wir nutzen die Zeit ohne Patienten, um uns um Paul zu kümmern, den humedica heute an die Gesundheitsstation übergibt. Paul ist ein großartiges Wasserfiltersystem, das für 100.000 Liter sauberes Trinkwasser sorgt. Wir führen den Hausmeister und die Ordensschwester in die Nutzung ein und freuen uns riesig, zu sehen, wie die Menschen ihre Wasserflaschen füllen und Paul nutzen. Ein weiterer Schritt zur Prävention von Epidemien ist damit geschafft.

Schließlich treffen Patienten ein, die sich auf den Weg durch die Wassermassen gemacht haben. Es kommen viele Menschen mit Hautpilzen, aufgeweichten und infizierten Wunden oder Atemwegserkrankungen. Einige Patienten, die unser Team für heute zur Weiterbehandlung einbestellt hatte, haben es leider nicht zur Gesundheitsstation geschafft. Wir hoffen, dass sie morgen kommen und ihre meist infizierten Wunden weiter versorgt werden können. Es ist deutlich sichtbar, wie wichtig die medizinische Versorgung für die Menschen hier ist.

Daniel Warkentin: Unvorstellbare Zerstörung und eine freundliche Begrüßung

14. Oktober 2016

Nach den vielen Planungen und der recht umfangreichen Organisation für einen geeigneten Einsatzort unseres Teams, ging es am vergangenen Montag endlich in Richtung Baradère im Südwesten des Landes. Mit einem Boot der haitianischen Küstenwache konnten wir bereits frühmorgens losfahren und nach etwa dreieinhalb Stunden an einem außerhalb von Baradère gelegenen "Hafen" anlegen. Aufgrund des niedrigen Wasserstandes mussten wir hier zunächst unser Gepäck ausladen, bevor es mit einem kleineren Boot den Fluss entlang Richtung Ortsmitte ging. Entlang des Flusses waren die ersten Ausmaße des Hurrikans ersichtlich. Umgeknickte Bäume, angeschwemmter Müll und Treibholz kamen uns hier entgegen. An einer Flussbiegung hieß es dann für uns: aussteigen.

Wir wurden bereits von einer hilfsbereiten Gruppe junger Männer erwartet, die uns mit dem Gepäck halfen und sicher durch die verwüstete Umgebung leiteten. Die ersten Meter führten uns durch ländliches Terrain, in dem erneut die vielen zerstörten Bäume und die Schlammmassen das Ausmaß der Katastrophe verdeutlichten.

Als wir endlich den Ort Baradère erreichten, wurde mir erst wirklich bewusst, welche Gewalt der Hurrikan gehabt haben muss, um eine solche Zerstörung und Verwüstung zu hinterlassen! Uns bot sich ein schier unbeschreibliches Bild: Wassermassen, die sich ungehindert durch Straßen, Gärten und Häuser fressen, brach liegende Gebäude, Menschen, die sich in ihren Trümmern an die Arbeit begeben, vor ihrem Haus ihr Essen zubereiten oder die Wäsche machen und hilfesuchende Blicke, die mich emotional stark berührten. Mir wurde schnell klar, dass wir hier am richtigen Ort sind, denn dringende Hilfe war offensichtlich von Nöten und diese Menschen haben lange genug darauf warten müssen, endlich versorgt zu werden.

Nachdem wir einige Meter, teilweise im kniehohen Wasser watend, durch den Ort gegangen waren, ging es dann die letzten zwei Kilometer auf trockener Straße ins lokale Krankenhaus. Hier wurden wir überaus freundlich von der Ordensschwester Judith und ihren Mitschwestern willkommen geheißen. Da kurz zuvor auch hier alles überschwemmt gewesen ist, war das Durcheinander vor Ort nicht zu verbergen. Nichtsdestotrotz fühle ich mich hier bis jetzt wie in einem Paradies mitten im Chaos: Wir werden durch einen Generator mit Strom versorgt, haben einen Brunnen für sauberes Wasser sowie Einzelbetten mit einem Dach über dem Kopf und nicht zuletzt drei sehr gut zubereitete Mahlzeiten am Tag.

Hier im Krankenhaus konnten wir uns bereits gut einbringen und schon zahlreiche Patienten mit den mitgebrachten Medikamenten und dem medizinischem Equipment versorgen. Neben vielen infizierten Wunden einiger Patienten, die aus dem Hurrikan resultieren, gibt es auch viele Patienten mit "alltäglichen" gesundheitlichen Beschwerden, die es zu versorgen gilt. Unsere Arbeit wird hier sehr geschätzt und die Schwestern im Krankenhaus sind sehr froh und dankbar über unsere Unterstützung. Und wir? Wir freuen uns einfach, dass unsere Hilfe die richtigen Menschen in Not erreicht.

Dr. Steffi Gentner: Logistische Herausforderungen

10. Oktober 2016

Da humedica bereits seit Jahrzehnten medizinische Einsatzteams in Katastrophengebiete entsendet, kann aus Erfahrung gesagt werden, dass die Folgen eines Hurrikans für die Betroffenen meist schwer sind. Trifft ein Hurrikan jedoch auf Haiti, das ärmste Land der westlichen Hemisphäre, in dem rund 80 Prozent der Einwohner mit weniger als 2 US-Dollar pro Tag überleben müssen, ist sofort klar, dass die Auswirkungen dort besonders extrem sind. Seit Hurrikan „Matthew“ in Haiti eine Schneise der Zerstörung hinterlassen hat, zeigt sich einmal mehr, inwiefern Armut und eine damit einhergehende fragile Infrastruktur die Ursache für enorme Schäden durch eine Naturkatastrophe sein können.

Da wir Einsatzkräfte frühzeitig von der deutschen humedica-Zentrale alarmiert wurden, gehörte unser Team zu den ersten internationalen Helfern, die in der vergangenen Woche hier eintrafen. Noch sind wir ein sechsköpfiges Team, doch nachdem wir uns in den vergangenen Tagen ein Bild von den Ausmaßen der Zerstörung machen konnten, wurden inzwischen weitere humedica-Einsatzkräfte von Deutschland auf den Weg nach Port-au-Prince geschickt.

Zum Glück können wir bei unserer aktuellen Hilfe wieder mit humedicas langjährigem lokalen Partner Fondation pour les Enfants d’Haiti (FEH) kooperieren und so auf ein breites Spektrum an Leistungen zurückgreifen. So unterstützen uns die Kollegen von FEH aktuell zum Beispiel bei der Organisation von Fahrten oder einer Unterkunft und helfen uns bei wichtigen Behördengängen mit den Vereinten Nationen oder den hiesigen Ministerien.

Gemeinsam mit den anderen Helfern und den Menschen in Haiti stehen wir vor einer Herkulesaufgabe, die es möglichst schnell zu bewältigen gilt: Nach neuesten Informationen benötigen rund 1,4 Millionen Haitianer humanitäre Hilfe. Diese umfasst nicht nur die schnellstmögliche Bereitstellung von sauberem Trinkwasser, Nahrungsmitteln und einer medizinischen Versorgung. Vor dem Hintergrund, dass in den besonders schwer betroffenen Gebieten, von denen bis heute manche noch gar nicht über Land zugänglich sind, bis zu 90 Prozent aller Gebäude zerstört sind, braucht es auch umfassende Maßnahmen im Bereich des Wiederaufbaus.

humedica kümmert sich jetzt im Department Nippes, genauer gesagt in dem Ort Baraderes im Südwesten des Landes, mit einer mobilen Einsatzklinik um dringend benötigte medizinische Hilfe. Auch hier haben die Zerstörungen ein enormes Ausmaß und noch immer steht ein Großteil der Stadt unter Wasser. Hinzu kommt, dass viele Dörfer in diesem Gebiet aufgrund ihrer Lage nur sehr schwer oder noch überhaupt nicht zugänglich sind.

Dank dem örtlichen Zivilschutz konnte unser medizinisches Team das Gebiet heute per Boot erreichen, um umgehend mit der Behandlung von Verletzten beginnen zu können. Wir restlichen Koordinatoren kümmern uns währenddessen in Port-au-Prince um alle anfallenden logistischen Aufgaben. Wie schwierig und mühsam die Planungen eines solchen Einsatzes sind, hat sich uns bereits gestern gezeigt, als sich die Abfahrt des angekündigten Schiffs mehrmals verzögerte und es schließlich überhaupt nicht mehr auslief. Unser Team gibt weiterhin alles, um die so dringend benötigte Hilfe bestmöglich umzusetzen und informiert Sie an dieser Stelle auch in den kommenden Tagen über unseren Einsatz hier in Haiti.

Wolfgang Groß: Zoll-Geschichten

6. Oktober 2016

Als ich mich am 27. September auf den Weg nach Haiti machte, um dort an der Eröffnung eines von humedica finanzierten Hilfsprojekts unserer Partnerorganisation Fondation pour les Enfants d’Haïti (FEH) teilzunehmen, ahnte ich nicht, dass diese Reise mitten in einem katastrophalen Hurrikan endete. Ich hatte das große Glück mich während der Stunden, in denen der Sturm über die Hauptstadt Port-au-Prince fegte, in einer sicheren Unterkunft zu befinden. Alles was nicht niet- und nagelfest war, flog durch die Luft und ich möchte mir gar nicht vorstellen, wie es den armen Menschen in ihren Zelten und Hütten im Südwesten des Landes geht, zu denen bis jetzt noch kein Kontakt möglich war.

Inzwischen ist das humedica-Team aus Deutschland auf der Hispaniola angekommen und so mache ich mich gemeinsam mit der Leiterin unserer Partnerorganisation FEH, Dr. Gousse, auf den Weg an die haitianische Grenze, um es in Empfang zu nehmen. Als alle wohlbehalten die Grenze überquert haben und die Einreiseformalitäten erledigt sind, machen wir uns gemeinsam auf den Weg zum Zollhof, wo wir das gesamte Gepäck und all die mitgebrachten Hilfsgüterkartons ausladen müssen. Während sich das Team schon weiter nach Port-au-Prince aufmacht, um schnellstmöglich mit der Organisation der Hilfsmaßnahmen beginnen zu können, bleibe ich mit Dr. Gousse an der Grenzstation, um zu warten bis unsere Hilfsgüter durch den Zoll sind.

Nach langen Verhandlungen können wir endlich weiter, doch schon werden wir am nächsten Zollhof angehalten, wo erneut all unsere Kartons inspiziert werden. Durch einiges an Verhandlungsgeschick und einem Telefonat mit dem Generaldirektor der obersten Zollbehörde dürfen wir auch von dort schließlich mit all unseren Kartons weiterfahren.

Während ich diese Zeilen schreibe befinden wir uns bereits auf dem Rückweg nach Port-au-Prince und ich hoffe inständig, dass es keine weiteren Unterbrechungen mehr geben wird. Schließlich möchten wir so schnell wie möglich anfangen, den Betroffenen zu helfen. Dass unser Einsatz nötig ist, zeigen mir auch die neusten Informationen: Von offizieller Stelle wurde die Zahl der Toten in Haiti inzwischen auf über 300 beziffert. Um weitere Opfer und einen großflächigen Choleraausbruch zu verhindern benötigen die Überlebenden nun dringend sauberes Trinkwasser und Nahrungsmittel.

Nun werden wir doch noch einmal aufgehalten: Ein Lastwagenfahrer hat uns angehalten und darauf aufmerksam gemacht, dass wir unterwegs einen auf dem Dach verstauten Karton verloren haben. Wir drehen also um, aber da kommt schon ein anderes Fahrzeug auf uns zu und übergibt uns das verlorene Gepäckstück. Es gibt sie also doch noch – die ehrlichen Finder. Damit wir nicht noch etwas verlieren, halten wir schließlich noch bei einem Seilmacher und lassen die Boxen festzurren.