Skip to main content

Seit 2008 entsendet humedica regelmäßig ehrenamtliche Mediziner in das St. Francis Hospital im Südwesten Ugandas, um dort die medizinische Versorgung von Patienten zu verbessern und die Arbeit des lokalen Teams zu stärken. Für drei Wochen engagierte sich nun auch der Ettlinger Arzt Winnfried Rossmanith in der Klinik. Seine Erfahrungen mit Land, Leuten und der täglichen Arbeit, hat er für Sie in einem starken Rückblick festgehalten.

Die grüne Perle Afrikas

„Sobald ich mich als weißer Exot nur wenige Schritte vom Gelände des St. Francis Hospitals in Mutolere bewegte, blieben die Leute voller Interesse stehen, sie grüßten mich freundlich und eine riesige Schar neugieriger Kinder umgab mich. Überall fühlte ich mich willkommen, aufgehoben und sicher. Es war nicht mein erster ärztlicher Einsatz in Afrika, doch kam mir diesmal die Bevölkerung Südugandas, zusammengesetzt aus Nachbarvölkern, der pygmäischen Urbevölkerung, sowie der mannigfaltigen Flüchtlingsbevölkerung, die während der letzten Jahrzehnte aus dem Kongo und Ruanda hierher kamen, besonders freundlich und entgegenkommend vor.

Mein Einsatzort, das St. Francis Hospital von Mutolere, liegt auf über 2.000 Metern im Gebirgs- und Hochland des südwestlichen Ugandas. Das konfessionelle Krankenhaus mit 250 Betten der stationären und einer breiten ambulanten Versorgung, ist für die medizinische Grundbetreuung von etwa 80.000 Menschen zuständig. Die Klinik hat vier Fachrichtungen: Chirurgie, Gynäkologie bzw. Geburtshilfe, Kinderheilkunde und Innere Medizin mit dem Schwerpunkt Infektiologie.

Die neben dem Hospital gelegene Streusiedlung Mutolere ist in üppig bewachsene und sattgrüne Hügel vor den großen Vulkanen an der Grenze zum Kongo und nach Ruanda eingebettet. Diese einmalig schöne Landschaft weist mit steilen Bergen und Hügeln, sowie lieblich im Land liegenden Seen, eine breite Palette an Naturschönheiten auf. Durch die reichlichen Niederschläge unter dem Äquator ist das Land sehr fruchtbar und wirkt durch tropische Pflanzen und Dschungel sattgrün.

Aus den dichten Regenwäldern und den Teeplantagen rund um das Krankenhaus, steigt durch tropische Hitze der mittägliche Dunst und umhüllt die Berge und Vulkane mit weißen Kappen. Dieses Land der Regenwälder, üppigen Plantagen und Vulkane wirkte auf mich wie ein Traum – zurecht gilt es als „die Perle Afrikas“.

Ein Leben unter der Armutsgrenze

Doch konnte meine Begeisterung für die fröhlichen und freundlichen Menschen sowie der großartige Landschaftseindruck nicht über viele Probleme des alltäglichen Lebens hinwegtäuschen: Durch die gewaltigen Flüchtlingsströme der letzten zwanzig Jahre wurde das Gebiet zu dem am dichtesten besiedelten Gebiets Zentralafrikas. Um die Klinik und die naheliegenden Hügel leben neben den tausenden Einheimischen etwa 300.000 Flüchtlinge aus den angrenzenden Nachbarländern. Beide haben nicht viel fürs tägliche Leben: Durch den fruchtbaren Boden und seine extensive landwirtschaftliche Nutzung, herrscht zwar keine Hungersnot, doch bedeutet die starke Aufteilung der Anbaugebiete für viele gerade noch ein ausreichendes Überleben.

Ein Großteil der Bevölkerung lebt unter der Armutsgrenze; staatliche Unterstützungen und Förderungen sind limitiert. Da viele Flüchtlinge wegen anhaltender Konflikte nicht mehr in ihre Heimatländer zurückgehen können, wird sich an der räumlichen Enge und der hohen Landbebauung auch in Zukunft wenig ändern. Die meisten Menschen leben ohne Wasser und Strom, es wird am offenen Feuer gekocht und die Verkehrswege in die Außenbezirke sind äußerst hart und unbequem.

Weil sie noch immer einen großen Teil der Altersvorsorge abdecken, haben die meisten Familien sehr viele Kinder. Selten habe ich so viele Kinder in Schulen gesehen, von denen jedoch nur die wenigsten eine angemessene und umfassende Ausbildung erhalten. Hinzu kommen die schlechten hygienischen Verhältnisse, die wiederkehrende Infektionen wie Tuberkulose oder Malaria begünstigen. Das staatliche Gesundheitswesen ist unzureichend ausgestattet, auf 20.000 Einwohner kommt nur ein Arzt und es fehlt an medizinischen Grundausstattungen, sowie effektiven Vorsorge- und Impfschutzprogrammen.

Zurück zu den medizinischen Wurzeln

Ich arbeitete rund drei Wochen im St. Francis Hospital. Die Zeit war kurz, doch für mich sehr einprägsam und voller Eindrücke. Was nehme ich daraus mit? Ich kann nur einige Eindrücke in wenige Worte fassen: Bei einem medizinischen Einsatz wie diesem ist viel Einfallsreichtum und vor allem gutes Wissen in der gesamten Medizin gefragt. Man muss bereit sein, sich in der gesamten medizinischen Breite zu engagieren, dort in nur einer speziellen Fachrichtung zu arbeiten ist so gut wie unmöglich. Da in der Kinderheilkunde und bei den Infektionserkrankungen Ärzte fehlten, war ich neben meiner Arbeit in der Gynäkologie auch in diesen Bereichen nach bestem Wissen tätig.

Um Krankheiten zu erkennen, musste ich mich auf einfache Maßnahmen wie Zuhören sowie akkurates Hinsehen, Tasten und Hören verlassen. Immer wieder stand ich vor der Frage, was zu tun war, wenn der Strom ausfiel und wir dennoch eine Diagnostik ohne Möglichkeiten wie etwa den Ultraschall benötigten. Oder welche Behandlungen möglich sind, wenn nicht operiert werden kann und ausschließlich Standardmedikamente zur Verfügung stehen.

Viele Antworten auf die medizinischen Fragestellungen müssen auf die örtlichen Verhältnisse bezogen werden und sind nur aus der Situation heraus zu verstehen: Was ist etwa zu tun, wenn eine erfolgreiche Behandlung zu zeit- und kostenintensiv ist und die Erkrankten und ihre Familien sich diese nicht mehr leisten konnten? Auch überforderte mich die Bitte eines Elternpaares, die Behandlung ihres schwerkranken Kindes einzustellen, da noch Aussicht auf ein weiteres Kind bestehen würde.

Meine Arbeit war gekennzeichnet von erfreulichen und ernüchternden Erfahrungen, von erfolgreichen Höhen wie von bodenlosen Tiefen. Sehr froh war ich, wenn geringe medizinische Maßnahmen erfolgreich waren, aber in anderen Situationen fühlte ich mich auch immer wieder hilflos. Doch bei den enormen medizinischen Unterschieden zu westlichen Verhältnissen, wundert dies wohl niemanden.

Medizinische Materialien in Uganda zu bekommen ist schwierig, und wenn es gelingt handelt es sich meist nur um ein einziges Instrument oder Medikament. Vorhandene Arzneien lassen sich an zwei Händen abzählen, Nahtmaterialien werden äußerst sparsam verbraucht und oft ist das Verfallsdatum schon Jahre überschritten. Hygienische und sanitäre Verhältnisse sind selbst an einem privat geführten Krankenhaus mehr als mangelhaft. Durch die OP-Räume schwirren Fliegen und die Narkosegase werden mangelhaft entsorgt, so dass die Operateure während des Eingriffes schläfrig werden.

Mein Einsatz führte mir vor Augen, unter welch ausgezeichneten Rahmenbedingungen unser Gesundheitssystem im Westen funktioniert. Er zeigte mir aber auch den Weg zurück zu den Grundlagen und Wurzeln der klinischen Medizin. Um mit den gegebenen Mitteln trotzdem ans Ziel zu kommen, waren Improvisationstalent, breitgefächerte medizinische Kenntnisse und Flexibilität nötig. Doch es hat sich gezeigt, dass sich auch mit beschränkten Möglichkeiten einiges erreichen lässt. Die vielen großen und kleinen Patienten sind in jedem Fall für jede noch so kleine Aufmerksamkeit und Hilfe dankbar.“