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Chronische Krankheiten wie Diabetes, Epilepsie oder Bluthochdruck sind für Betroffene weltweit eine große Herausforderung. Liegt das Zuhause des Kranken jedoch nicht etwa in der medizinisch gut versorgten westlichen Welt, sondern in einem kärglichen Flüchtlingslager in Afrika, kann aus der Herausforderung schnell ein Kampf ums Überleben werden.

In der humedica-Gesundheitsstation im äthiopisch-somalischen Flüchtlingslager Melkadida, legen die Mitarbeiter ihren Fokus neben der Versorgung akuter Notfälle daher zunehmend auch auf die Behandlung chronisch kranker Patienten. Eine Aufgabe, die unter den gegebenen Umständen wie den mangelnden Ressourcen oder der Abgeschiedenheit des Lagers, oft nur so gut wie eben möglich umgesetzt werden kann.

Eine ganz besondere Rolle spielt dabei die Betreuung von Flüchtlingen mit Epilepsie. Eine Krankheit, die wegen begrenzt verfügbarer Medikamente und eingeschränkter diagnostischer Möglichkeiten einen enormen Leidensdruck für die Betroffenen verursacht. In der Gesundheitsstation des Flüchtlingslagers Melkadida werden aktuell 51 Männer und Frauen mit einer epileptischen Erkrankung behandelt. Samet und Nadim sind zwei von ihnen. Ihr Schicksal und ihre Krankengeschichte bewegen.

Samet

Der 32-jährige Samet ist Vater von vier Kindern und stammt aus einer Region im Süden Somalias, wo er mit seiner Familie bis zu seinem 26. Lebensjahr von der Kuh- und Ziegenzucht lebte. Mit vierzehn Jahren hatte er seinen ersten epileptischen Anfall. Er sagt, er erinnert sich noch gut wie er hinter seinem Eselskarren herlief, als er plötzlich starken Wind und ein Sausen in den Ohren hörte.

Er blieb stehen und das Geräusch verschwand. Eine Woche später erlebte er ein ähnliches Phänomen, doch diesmal blieb das Sausen und er verlor das Bewusstsein. Als er wieder zu sich kam, gaben ihm einige Menschen die ihn gefunden hatten Wasser zu trinken. Erst als die starken Kopfschmerzen nachließen machte er sich auf den Heimweg.

Seit jenem Tag begleiten ihn die epileptischen Anfälle. Mindestens einmal in der Woche verlor er das Bewusstsein. Manchmal sogar zwei oder sogar dreimal. „Einmal bin ich einem Dornenzaun aufgewacht. Mein ganzer Körper war mit Dornen übersäht. Sie sagten ich hätte das ‚Böse‘. Ich wusste aber, dass ich das ‚Böse‘ nicht hatte.“ Als Samet 25 Jahre alt war, rückten die Kämpfe zwischen der somalischen Al-Shabab Miliz und dem äthiopischen Militär immer näher an sein Zuhause heran. Aus Sorge um seine Tiere beschloss er gemeinsam mit seinem Bruder zu bleiben.

Eine folgenschwere Entscheidung. Eines Tages wurde er von Al-Shabab-Kämpfern gefangen genommen. Man unterstellte Samet für das äthiopische Militär zu arbeiten und verhörte ihn drei Tage und Nächte in einer Zelle. Mit einem Gewehrkolben brach man ihm seine Schulter. Als er seine Peiniger überzeugen konnte kein Spion zu sein, bot man ihm an der Miliz beizutreten. Er lehnte ab und man verlegte ihn in ein anderes Gefängnis. Dort folterten sie ihn bis er schließlich eines Tages entkommen konnte und mit seiner Familie nach Äthiopien floh.

Seit Samet in Melkadida lebt und in der Gesundheitsstation von humedica behandelt werden kann, tritt seine Epilepsie nur noch alle drei bis vier Monate einmal auf. Ein Umstand der ihn sehr dankbar macht und hoffen lässt: „Wenn die Krankheit weiter so milde verläuft, kann ich eines Tages vielleicht woanders hingehen und meinen Kindern ein besseres Leben bieten.“

Nadim

Auch der siebenjährige Nadim ist regelmäßiger Gast in der Gesundheitsstation. Seit er zwei ist lebt er in Melkadida, mit drei Jahren erkrankt er an Epilepsie. Durch das frühe Auftreten der Krankheit leidet er an einer Entwicklungsverzögerung, die ihn sein Leben lang beeinträchtigen wird. Seine Mutter erzählt, dass die Familie ursprünglich aus der südsomalischen Stadt Luug stammt.

„Wir hatten etwas Acker und zwei Kühe. Es war nie viel, doch es hat gereicht. Doch dann kamen Milizen und sagten uns, dass die Hälfte unseres Ertrages nun der Regierung gehöre. Einige Bauern widersetzten sich und wurden eingesperrt, von manchen haben wir nie wieder gehört. Als es dann auch noch aufhörte zu regen und die Kühe verendet sind, haben wir unsere Sachen gepackt und sind drei Tage und Nächte gelaufen, bis uns ein Fahrzeug nach Melkadida mitnahm.“

Ein Jahr später erlitt Nadim seinen ersten epileptischen Anfall. „Es war fürchterlich“, erklärt die Mutter. „Manchmal krampfte er zehn Mal am Tag. Er hat nicht mehr reagiert und reden konnte er damals ja noch nicht. Hin und wieder ist er auf den Kopf gefallen und holte sich schreckliche Wunden, die nicht heilten. Die Narben hat er immer noch.“

Nadim gehörte zu den ersten Patienten, die das humedica-Team in Melkadida behandelte. Seitdem hat er die Anfälle nur noch etwa einmal im Monat. „Die Gesundheitsstation war ein Glück für uns. Im Grunde geht es uns hier gut. Die Hauptsache ist doch, dass Nadim hier versorgt werden kann.“

Hinweis: Die medizinischen Hilfsmaßnahmen in Äthiopien setzt humedica dank der Unterstützung des Auswärtigen Amts der Bundesrepublik Deutschland bereits seit 2011 um.