Skip to main content

„Die Zeit heilt nicht alles; aber sie rückt vielleicht das Unheilbare aus dem Mittelpunkt.“, das Zitat des deutschen Philosophen und Schriftsteller Ludwig Marcuse bezog sich in seiner ursprünglichen Intention wohl kaum auf die Krisen und Naturkatastrophen von heute, und doch zeigt es sich in diesem Kontext immer wieder als passend.

Wie etwa bei der Darstellung der heutigen Lebensumstände in Haiti. Als die Karibische Halbinsel im Januar 2010 von einem heftigen Erdbeben erschüttert wurde, schien alle Hoffnung erloschen. Wie weitermachen, nach dem plötzlichen Tod von 316.000 Menschen? Wo anfangen, wenn der ohnehin karge Besitz schlagartig in Trümmern liegt? Warum sich überhaupt die Mühe machen, wo doch die Zukunft sowieso keinerlei Perspektiven verspricht?

Die Monate nach dem Erdbeben ließen nichts Gutes für die Menschen in Haiti vermuten, doch die Zeit tat ihren Zweck und begleitete die Einwohner nach der Katastrophe Schritt für Schritt aus der Schockstarre. Natürlich ist Haiti noch immer der ärmste Staat der westlichen Hemisphäre, und natürlich konnte das Land nach dem Beben auch keinen glorreichen Neustart hinlegen. Trotzdem sind die Fortschritte unübersehbar und die Anfangs genannten Umstände werden vom wieder eingekehrten Alltag dominiert.

humedica ist bis heute auf der Insel aktiv und hat in den vergangenen Jahren verschiedene Wiederaufbauprojekte geplant, finanziert und umgesetzt. Darunter auch die Schule in dem kleinen Dorf Meyer, die durch das Erdbeben beinahe vollständig zerstört wurde. Bereits im Jahr 2012 konnten die Helfer von humedica das Gebäude soweit renovieren, dass der Unterricht wieder aufgenommen werden konnte.

Niemand störte sich an dem fehlenden Farbanstrich. Doch humedica-Geschäftsführer Wolfgang Groß hatte das Versprechen gegeben, die Schule und ihre unweit entfernte Außenstelle nicht nur zweckmäßig, sondern auch optisch ansprechend wiederaufzubauen und den Schülerinnen und Schülern eine freundlichen Ort zum Lernen zu ermöglichen. Vor wenigen Monaten war es dann schließlich soweit und Maler verwandelten die grauen Betonwände in ein farbenfrohes Gebäude.

Nun ist die Schule fertig und die Bilder totaler Zerstörung sind denen eines harmonischen Schulalltags gewichen: Von Montag bis Donnerstag kochen Frauen für die 1.200 Mädchen und Jungen ein Mittagessen und ermöglichen einem Großteil der Kinder damit die einzig warme Mahlzeit am Tag. 70 Lehrer unterrichten die Schüler vom Kindergartenalter bis hin zum Abitur und bieten zusätzliche Englisch- und EDV-Kurse an. Sogar Aus- und Fortbildungen sind an der Schule inzwischen möglich. Es gibt Theoriekurse für den Führerschein oder eine Auswahl an Ausbildungen, vom Erzieher über den Schneider bis hin zum Koch.

Selbstredend wird weiterhin viel Zeit ins Land gehen müssen, um die Folgen und noch offenen Risse des Erdbebens zu kitten, doch die Schule in Meyer ist ein gutes Beispiel, dass positive Veränderungen auch in einem schwierigen Umfeld möglich sind und langfristige Hilfe einen spürbaren Unterschied im Leben vieler Menschen bewirken kann.