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Während in diesen Tagen tausende Flüchtlinge sicheren Boden in Deutschland erreichen und damit nach mitunter Monate langer Odyssee endlich Schutz vor der Gewalt in ihrer Heimat finden, ist diese Situation in Italien bereits seit Monaten tägliche Realität. Gemeinsam mit der Partnerorganisation Gioventù in Missione (GiM) unterstützt humedica Flüchtlinge, die über das Mittelmeer auf der Insel Sizilien ankommen. Uns gibt GiM-Leiter Enos Nolli Einblicke in seine tägliche Arbeit mit den Flüchtlingen und teilt zwei Schicksale, die ihn besonders erschütterten:

„An der Küste Siziliens erreichen noch immer tausende Flüchtlinge europäischen Boden. Die meisten von ihnen werden schnell in andere Regionen weitergeschickt, denn die Belastungsgrenze der Insel ist längst überschritten. Leider haben die örtlichen Behörden inzwischen die Kontrolle über die Situation verloren und eine bessere Organisation dieses Notstandes ist unbedingt nötig. Und leider nutzen einige Menschen dieses Chaos tatsächlich, um einen eigenen Vorteil aus der Not der Flüchtlinge zu ziehen, auch die Geduld vieler Italiener ist inzwischen erschöpft – eine verständliche, weil menschliche Reaktion.

Wir arbeiten nach wie vor in den Provinzen Catania und Caltanissetta. Im Flüchtlingslager Mineo, dem größten Lager Europas, ist die wichtigste Hilfe, die wir den Menschen geben können, zuzuhören, ihnen Mut zu machen und sie bei ihrem Asylantragsgespräch zu unterstützen. Bis zu letzterem müssen die Flüchtlinge manchmal bis zu einem Jahr warten, auch danach dauert es nochmal einige Monate bis sie das Ergebnis erhalten.

Bei den tausenden Menschen, die uns bei unserer Arbeit begegnen, versuchen wir uns bei unserer Hilfe auf besonders schwere Schicksale zu konzentrieren. Regelmäßig laden wir einige Flüchtlinge in unser Hilfszentrum ein. Aktuell kümmern wir uns um einige Flüchtlinge aus Pakistan, sowie je zwei aus dem Iran, Nigeria und Ägypten. Während der Zeit, die sie bei uns sind, versuchen wir ihre individuellen Hilfsbedürfnisse herauszufinden und sie entsprechend zu unterstützen.

Für die Flüchtlinge, die ohne Unterstützung außerhalb der Lager leben und noch auf eine freie Unterkunft warten müssen, leisten wir nach wie vor Hilfe durch die Verteilung von Kleidung, Schuhen und Lebensmitteln. Zusätzlich besuchen wir regelmäßig zwei Flüchtlingslager in denen je 150 Menschen leben und eine kleinere Unterkunft für Flüchtlinge, die Folter und Missbrauch erfahren mussten.

Die Schicksale von zwei Flüchtlingen, die wir bereits seit einiger Zeit begleiten, möchten wir Ihnen heute vorstellen:

Adam* aus dem Senegal

Wir trafen Adam vor drei Jahren in Mineo. Er war zutiefst traumatisiert, nachdem er den Missbrauch und die Ermordung seiner kleinen Schwester mitansehen musste. Er selbst wurde mehrfach beinahe totgeprügelt, wovon er sich bis heute nicht erholt hat. Auf dem Weg durch Libyen wurde er wegen fehlender Papiere verhaftet. Viele Monate verbrachte er im Gefängnis, bis ihn ein Wärter wie durch ein Wunder rettete und ihm zur Flucht nach Italien verhalf.

Adam sprach am Anfang nicht und konnte einem nicht in die Augen sehen. Er war in seinem ständigen Schmerz eingeschlossen und nachts hielten in Albträume wach. Irgendwann war er entschlossen italienisch zu lernen und in der ersten Stunde erzählte er uns seine Geschichte.

Adam war nie zur Schule gegangen und beginnt erst jetzt lesen und schreiben zu lernen, doch bei seinem Alter ist das nicht mehr so leicht. Inzwischen spricht er schon etwas italienisch und er ist etwas heiterer, immer öfter lächelt er auch einmal. Er hat ein Visum für ein Jahr erhalten und möchte nun versuchen, im Norden Europas Arbeit zu finden.

Godwin* aus Nigeria

Godwin konnte gerade etwas Zeit mit seiner Frau und seinem Baby in Nigeria verbringen und ist nun nach Italien zurückgekehrt. Sein Vater arbeitete in seiner Heimat in der Politik, doch nach dem Regierungswechsel wurde er bedroht und flüchtete aus dem Land.

Als Godwins Mutter und sein kleiner Bruder ermordet wurden, floh auch der Rest der Familie in das Nachbarland Ghana und Godwin zog weiter nach Libyen, um dort etwas Geld zu verdienen. Als dort ein bewaffneter Konflikt ausbrach, wurde er von Rebellen gefangen genommen, bei einer Bombardierung schwer am Bein verletzt und schließlich zur Flucht über das Mittelmeer gezwungen.

Nach einigen Monaten in Mineo gelang es ihm, den Kontakt mit seiner Familie herzustellen. Er wartete mehrere Monate, bis sein Asylantrag angenommen wurde. Nun ist Godwin hin und her gerissen, ob er lieber versuchen soll, in Europa Geld zu verdienen oder trotz Lebensgefahr zu seiner Familie zurückkehren. Immerhin hat er einen kleinen Hoffnungsschimmer: Seit den letzten Wahlen hat sich die Situation in Nigeria ein wenig stabilisiert, sodass seine Familie nach neun Jahren auf der Flucht wieder in ihre Heimat zurückkehren konnte.

Dies sind nur zwei von unzähligen Flüchtlingsschicksalen, die uns bei unserer täglichen Arbeit begegnen und uns immer wieder aufs Neue erschüttern. Um diesen Flüchtlingen auch im Notfall einen Anlaufpunkt zu bieten, haben wir gerade ein weiteres Projekt gestartet, wo sie hinkommen und Hilfe erhalten können. Es wird sich zeigen, wie die Flüchtlingssituation in Italien weitergehen wird und wann die Stimmung der Einwohner kippt. Wir werden in jedem Fall weiterhin alles geben, um den Flüchtlingen eine menschenwürdige Behandlung und dringend benötigte Hilfe zu ermöglichen.

Bitte werden auch Sie Teil dieser aktuell so wichtigen Hilfe und unterstützen Sie die Arbeit von humedica und der Partnerorganisation Gioventù in Missione mit einer wertvollen Spende. Vielen Dank!

*Bitte haben Sie Verständnis, dass wir aus Gründen der Sensibilität die hier vorgestellten Schicksale nicht mit den Fotos der betroffenen Personen bebildern. Vielen Dank.