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Am Omo-Fluss, im Südwesten Äthiopiens, lebt die kleine Volksgruppe der Kara. Abgeschieden und weitgehend unberührt von der Zivilisation, haben sie kaum Zugang zu medizinischer Versorgung. Zur Behandlung von Kranken und Verletzten, entsendet humedica mehrmals im Jahr ein Ärzteteam in die Region rund um den Omo-Fluss.

Die Wiener Ärztin Eva Scharf-Hofner war zum ersten Mal Teil des Teams. Ihr Rückblick verrät, wie man sich einen Hilfseinsatz fernab der Zivilisation vorstellen muss:

„Mitte Februar war es soweit und ich traf mich mit meinem Team, bestehend aus drei Krankenschwestern, einer Ärztin und einem Medizinstudenten am Frankfurter Flughafen, um gemeinsam den Flug in Richtung Äthiopiens Hauptstadt Addis Abeba anzutreten. Dort angekommen, wurden wir von einem Mitarbeiter, der seit Jahren in Äthiopien lebt und arbeitet abgeholt, und los ging die zweitägige Reise in den Südwesten des Landes.

Während wir am Anfang unserer Tour noch auf asphaltierten Straßen fuhren, wandelte sich die Strecke mehr und mehr in eine Sandpiste, bis sie am Ende nur noch ein Fußpfad zu sein schien. Die kühle Temperatur, die uns noch in Addis Abeba empfangen hatte, wich bald einer großen Hitze von 45 Grad, die wegen der Trockenzeit aber gut erträglich war. Doch der allgegenwärtige Staub begleitete uns ab da während unseres gesamten Aufenthalts und wir waren froh, dass wir unser Gepäck zu Beginn der Fahrt so gut abgedeckt hatten.

Kurz vor unserem Ziel mussten wir ein Flussbett durchqueren, dessen Grund nur aus losem und tiefem Sand bestand. Doch unserer Fahrer meisterte die Aufgabe mit dem denkbar schlecht geeigneten Kleinbus bravourös und blieb nicht wie andere Fahrzeuge unweit von uns im Flussbett stecken. Nach unserer Ankunft im Omo-Tal blieb nichts mehr zu tun, außer unsere bereits aufgestellten Zelte zu beziehen. Da wir nur zu fünft waren, erhielt jeder von uns sein eigenes Zelt.

Am nächsten Morgen packten wir unsere Sachen und machten uns an die Arbeit. Jeden halben Tag suchten wir ein anderes Dorf der Kara auf, wo wir unter den Bäumen unsere „Klinik“ aufbauten und auf einfachen Matten Kranke und Verletzte behandelten. Als unser wichtigster Mitarbeiter und Kollege stellte sich Medizinstudent Daniel heraus, der für die aufwändige und täglich notwendige Trinkwasseraufbereitung aus dem Omo-Fluss zuständig war.

Nachdem wir die Patienten untersucht hatten, konnten sie ihre verschriebenen Medikamente an unserer „Apotheke“ auf der Pickup-Ladefläche abholen. Die Ausgabe ging meist mit langwierigen und geduldigen Erklärungen zur Einnahme einher. Wie sich die Mütter der Großfamilien die Einnahmeschemata für ihre verschiedenen Kinder merken konnten, bleibt mir ein Rätsel. Lesen konnten sie nicht und so mussten sie alles im Gedächtnis behalten.

Ein wichtiger Teil unserer Arbeit waren auch die Hygienevorträge, die besonders von den Frauen interessiert aufgenommen wurden und in deren Rahmen wir Seifen an die Familien verteilten. Weil unser Aufenthalt in die Trockenzeit fiel, litt keiner unserer Patienten unter Malaria. Zwar gab es einige Verdachtsfälle, doch diese stellten sich dank eines Schnelltests immer als negativ heraus.

In einem Dorf an einer Biegung des Omo-Flusses trafen wir auf besonders viele Fälle von Bilharziose. Eine tropische Infektionskrankheit, die durch einen Saugwurm übertragen wird, jedoch medikamentös behandelt werden kann.

Ansonsten sahen wir immer wieder Patienten, die unter Missbildungen und dem grauen Star litten. Letztere konnten wir im Rahmen unserer Möglichkeiten nur über laufende Operationsprojekte und Mittel und Wege, um entsprechende Termine zu erhalten, aufklären. Ein besonderer Fall, war ein einmonatiges Baby, bei dem wir eine lebensbedrohliche Lungenentzündung feststellten. In diesem Fall blieb nur noch die Verlegung in das eine halbe Tagesreise entfernte Krankenhaus.

Neben den vielen schönen Erfahrungen mit Land und Leuten, bemerkten wir im Rahmen unserer Arbeit leider auch so manche negative Entwicklung im Omo-Tal. So sahen wir etwa immer wieder Schrott und kaputte Maschinen, die aus Ermangelung an Mechanikern vor sich hin rosteten und die Landschaft schmückten. Große Baumwollplantagen nahmen riesige Flächen ein und leerten durch ihre Bewässerung langsam den Omo-Fluss, die Lebensader der Kara.

Es war eine interessante Erfahrung und ein spannender Einsatz, den ich nicht missen möchte. Doch wir haben gelernt, dass man bei den Einflüssen, die die westliche Welt zu den Kara transportiert, sehr behutsam sein muss. Denn langsam aber sicher werden die Kara verdrängt und ich fürchte, dass sie als erkennbare Volksgruppe nicht mehr lange da sein werden.“

In großen Schritten nähert sich die Zivilisation dem Stamm der Kara im Süden Äthiopiens. Und während der Fortschritt auch positive Elemente wie eine bessere medizinische Versorgung mit sich bringt, überwiegen für die Menschen der Kara die Schattenseiten der Zivilisation. Ihr Rückzugsort wird kleiner, ihre Ressourcen knapper, ihre Hilfsbedürftigkeit größer. Bitte unterstützen Sie die Hilfe für die Kara mit einer wertvollen Spende. Vielen Dank!