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Alphaland von Wirbelsturm getroffen, 300.000 Menschen obdachlos." So oder ähnlich könnte eine Schlagzeile lauten, die humanitäre Helfer in sofortige Alarmbereitschaft versetzt. An der Fachhochschule Münster war die fiktive Katastrophe in „Alphaland" nun Ausgangspunkt eines Planspiels zur Logistik bei internationalen Hilfseinsätzen. Auch der stellvertretende humedica-Geschäftsführer, Bernd Herger, nahm an dieser Übung teil.

Eingeladen hatten Prof. Dr. Joachim Gardemann vom Kompetenzzentrum Humanitäre Hilfe der Fachhochschule Münster und Prof. Dr. Bernd Hellingrath, Inhaber des Lehrstuhls für Wirtschaftsinformatik und Logistik der Westfälischen Wilhelms-Universität und Leiter des Arbeitskreises Humanitäre Logistik der Bundesvereinigung Logistik (BVL).

Das Planspiel Alphaland soll möglichst realitätsnahe Umstände aufzeigen, unter denen vor einem tatsächlichen Einsatz Übungen durchgeführt werden können. Angefangen bei der Katastrophenmeldung bis hin zu der eigentlichen logistischen Hilfe. Etwaige Komplikationen und Handlungsempfehlungen inbegriffen.

Im Planspiel übernahmen die 22 Teilnehmer fünf für den logistischen Ablauf entscheidende Rollen: Die fiktive Hilfsorganisation stellte einen Logistiker und einen Verantwortlichen des Logistikzentrums im Helferland sowie einen Techniker, der an Bord der Frachtmaschine für das Handling des Materials zuständig ist. Für den Einsatzort selbst bestimmten die Teilnehmer einen Teamleiter, der die Empfängerorganisationen und Behörden am Zielort kontaktiert, sowie einen Delegierten, der vor Ort die Arbeitsabläufe koordiniert und das gelieferte Material einsetzt.

Nach einer kurzen Lagebesprechung stellten die Rollenspieler ihre Lösungsvorschläge für ihre jeweiligen Aufgaben zur Diskussion. Joachim Jäger vom Generalsekretariat des Deutschen Roten Kreuzes moderierte die Runde und konfrontierte die Rollenspieler immer wieder mit Unwägbarkeiten und Herausforderungen, die den Helfern in der Realität an jeder Stelle des Einsatzes begegnen können.

Der generelle Anspruch sei immer, Hilfe so schnell wie möglich zu leisten. Der organisatorische Aufwand dafür sei jedoch enorm und man könne davon ausgehen, dass die ursprünglich geplante Einsatzstrategie nur selten wirklich wie vorgesehen umsetzbar sei, erklärte Jäger. „Deshalb brauchen wir im Prinzip für jeden Part des Einsatzes immer einen Plan B", so der Experte.

Als eine Herausforderung im Planspiel diente schließlich exemplarisch eine fehlende Landeerlaubnis am Zielflughafen des Katastrophengebiets. „In solchen Fällen brauchen wir eine funktionierende Infokette, damit sowohl die Helfer vor Ort als auch die Logistiker zu Hause schnell über alle Änderungen informiert sind", sagte Holger Schmidt vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe. „Das Wichtigste ist, dass die Hilfsgüter und medizinischen Geräte bewacht werden und nicht abhanden kommen."

Bei all dem sei es entscheidend, die lokale Bevölkerung mit einzubeziehen. Dabei gelte es, sowohl auf die politische Situation als auch auf ethnische Besonderheiten Rücksicht zu nehmen, betonte Mahmut Güngör von der Organisation Islamic Relief Deutschland. Das könne von getrennten Bereichen für Männer und Frauen in islamischen Ländern bis hin zum Umgang mit den Toten reichen, die es in den Zelthospitälern in Katastrophengebieten zwangsläufig gebe.

Wenn die Helfer aus Unwissenheit gegen gesellschaftliche oder religiöse Konventionen verstoßen, verlieren sie schnell das Vertrauen der Bevölkerung - und dann kann es zu ernsthaften Schwierigkeiten kommen", erläuterte Gardemann. „Es ist deshalb unabdingbar, für das eigene Personal Rechtssicherheit zu schaffen. Dafür ist es notwendig, die lokalen Autoritäten zu beachten und sie mit einzubeziehen."

Die Teilnehmer des Planspiels zeigten sich am Ende zufrieden über einen realitätsnahen Einblick in die Zusammenhänge der humanitären Hilfe. „Das Planspiel hat eindrucksvoll gezeigt, welche entscheidende Rolle die Logistik in den komplexen Abläufen von humanitären Hilfseinsätzen spielt und wie wichtig dabei die reibungslose Zusammenarbeit zwischen den Beteiligten ist. Wir werden den Spielverlauf detailliert analysieren, um Ansätze für weitere Forschungsarbeiten zur Verbesserung der Kooperationen zu ermitteln", fasste Hellingrath das Planspiel zusammen.

Neben des tatsächlichen Planspiels ist aber auch der persönliche Kontakt mit Helfern aus ähnlich angesiedelten Hilfsorganisationen von größter Bedeutung, wie Bernd Herger resümierte: „Es ist immer gut, neue potentielle Partner kennenzulernen, die in der gleichen humanitären Arbeit stehen und sich gegenseitig unterstützen können“, so der Teilnehmer aus Kaufbeuren.

Diese Veranstaltung lief zwar unter der Bezeichnung „Planspiel“. Aber es handelte sich um mehr als nur ein Spiel, denn im Ernstfall können die Teilnehmer und ihre Organisationen auf die erarbeiteten Kenntnisse zurückgreifen und diese erfolgreich umsetzen.

Das münstersche Netzwerk der humanitären Hilfe wurde im Juni 2012 gegründet. In ihm haben sich unter anderem die Fachhochschule Münster, die Westfälische Wilhelms-Universität, zahlreiche Hilfsorganisationen sowie die Stadt Münster und die Allianz für Wissenschaft zusammengeschlossen. Vielen Dank für die Erlaubnis der Artikelübernahme, der Originaltext ist auf der Internetpräsenz der Fachhochschule Münster zu finden.