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Ohne Vorkommnisse, dafür mit reichlich Medikamenten und dem Willen, den syrischen Flüchtlingen im Libanon zu helfen, erreichte Hanna Bonnyai ihr Einsatzland. Insgesamt begegnete sie 300 Familien, denen sie helfen konnte und deren Schicksale sie sehr bewegten, wie Sie in dem zweiten Teil ihres Berichtes erfahren können.

„Nach einer Woche können unser Koordinator, Rebekka und ich in den Norden des Libanons fahren. Im Norden des Landes leben die Flüchtlinge in oft nur halbfertigen Häusern, entweder von Libanesen zur Verfügung gestellt oder vermietet. Sie wohnen ziemlich verteilt über die Orte und sind häufig nur als einzelne Familie da.

Manchmal sind es auch zwei oder drei Familien, oder ein gesamtes Haus voller Flüchtlingsfamilien. In der Bekaa-Ebene hingegen sind oft Teile einer Dorfgemeinschaft zusammen geflüchtet. So gibt es in den Flüchtlingslagern eine gewisse gewohnte Gemeinschaft.

Die Flüchtlinge im Norden kommen oft aus Homs und Aleppo und sind erst vor Kurzem geflüchtet, während in der Bekaa-Ebene die Flüchtlinge eher aus Damaskus kommen und schon eine Weile da sind.

Nach zwei Tagen im Norden sehen wir in einem Schawarma-Imbiss auf dem Fernsehbildschirm die Bilder des Anschlages in Beirut. Zu dem Zeitpunkt wussten wir allerdings noch nichts über Opfer. Erst am Abend erfahren wir, dass der Sicherheitschef des Libanons einem Bombenanschlag zum Opfer gefallen ist.

Der Cousin unserer Kontaktperson kennt sich im Norden sehr gut aus und ist auch bekannt. Er unterstützt uns am nächsten Morgen in der Entscheidung, zurück nach Beirut zu fahren.

Das Wochenende verbringen wir in unserer Basis nahe Beirut. Im sunnitischen Nachbarort brennen an dem Wochenende noch öfter Reifen. Der libanesische Koordinator und der Übersetzer vom anderen Team sitzen den ganzen Tag vor dem Fernseher. Die Situation ist angespannt. Was passiert? Werden sich die Demonstranten wieder beruhigen? Oder werden die Ausschreitungen ausufern und der Krieg in Syrien endgültig nach Libanon übergreifen?

Nach einem langen Wochenende mit Beobachten und Abwägen entscheiden wir uns, wieder in den Norden zu fahren. Die Situation hat sich etwas entspannt. Dennoch stehen in Tripoli Panzerfahrzeuge an jeder größeren Kreuzung. Die Stadt ist leider bekannt für immer wiederkehrende Auseinandersetzungen.

Da im Norden die Flüchtlinge über verschiedene Örtlichkeiten verteilt wohnen, müssen wir häufig mit dem Auto von Ort zu Ort fahren. Hier zeigen uns die Dorfvorsteher, wo die Flüchtlinge leben, meist zwei bis fünf Familien. So gehen wir dann mit unserer Medikamentenbox in die Wohnungen der Flüchtlinge, um sie dort zu untersuchen und zu behandeln.

Denn diese Familien können sich einen Arztbesuch nicht leisten. Das Geld muss für Miete und Essen gespart werden. Von einigen Flüchtlingen erfahren wir, dass sie in Syrien vor dem Krieg ein intaktes und kostenfreies Gesundheitssystem genossen, ihre Kinder keine Schulgebühren zahlen mussten.

Im Libanon müssen sie die Ärzte bezahlen und wenn sie ihre Kinder zur Schule schicken wollen, so müssen sie auch für die Schulgebühren aufkommen. Manche Flüchtlinge wollen auch gerne eine Zweitmeinung einholen, oder ihre Symptome sind immer noch nicht rückläufig, trotz Arztbesuch und Behandlung.

Neben den üblichen Erkrankungen zeigen einige Flüchtlinge auch schon psychosomatische Symptome, als Folge des Erlebten. Zum Beispiel Layla. Sie habe einen Druck auf den Ohren und der Brust. Diese Symptome sind im vergangenen Jahr ohne sichtbaren Grund aufgetreten, und nun, seit sie im Libanon ist, sind diese schlimmer geworden. Ich untersuche sie, finde jedoch keine pathologischen Zeichen.

Sie erzählt uns (der Übersetzerin und mir) weiter, dass sie schon seit einigen Wochen schwer ein- oder durchschlafen kann. Sie wirkt müde und erschöpft. Ihren Sohn hat sie im Krieg verloren. Er war ins Kreuzfeuer auf dem Dach ihres Hauses geraten. Der Vater wollte hinaufsteigen, um den Sohn ins Krankenhaus zu bringen, allerdings war der Weg abgeschnitten. Später konnte er ihn nur noch tot bergen.

Wir bitten den Vater zum Gespräch dazu. Er erzählt uns, dass er sich schwere Vorwürfe macht, und ebenso kaum ein- oder durchschlafen kann. Wie Layla wirkt er müde und erschöpft. Layla kommen die Tränen, sie versucht sie zu unterdrücken. Mir kommen auch fast die Tränen. Ich kann sie nur drücken und ihr tröstende Worte schenken. Welch ein Leid dieses Paar doch mit sich trägt.

Ich erkläre, dass seelischer Druck sich körperlich äußern kann. Dass ich aber leider keine Medikamente dabei habe, die helfen könnten (verschreiben kann ich auch keine als deutsche Ärztin im Libanon). Aber dass es wichtig sei, zu trauern. Ich überlege, welch schöne und entspannende Dinge sie unternehmen könnten. Doch welche schönen Dinge können sie schon als Flüchtlinge tun?

Schwimmbad? Entspannungs-Massage? Wellness-Urlaub? Fehlanzeige. Ich kann ihnen nur zu einem Spaziergang in dieser eindrucksvollen bergigen Gegend jeden Morgen raten.“

Mit ihrer Flucht verloren die Familien nicht nur ihr Hab und Gut, sondern auch den Zugang zu medizinischer Versorgung. Sie, liebe Freunde, können uns mit Ihrer Spende für die geflohenen Menschen im Libanon helfen, diesem Zustand entgegenzuwirken. Vielen Dank!

humedica e. V.
Stichwort "Syrische Flüchtlinge"
Konto 47 47
BLZ 734 500 00
Sparkasse Kaufbeuren

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