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In einer der ärmsten Regionen Indiens, in Bihar, liegt der Ort Raxaul. Dort, an der indischen Grenze zu Nepal, befindet sich das Duncan Hospital. Humedica entsendet seit 2007 regelmäßig Mediziner und Pflegekräfte in das kleine Missionskrankenhaus.

Dazu zählt auch Medizinstudentin Saskia Frölich aus Böblingen, die das einheimische Krankenhauspersonal für vier Wochen bei ihrer wichtigen Arbeit unterstützte. Zudem konnte sie Einblicke in zahlreiche Hilfsprojekte aus umliegenden Dörfern gewinnen.

„Nach einer zweitägigen Orientierungsphase in Neu Delhi und 24-stündiger Zugfahrt kam ich im Duncan Hospital in Raxaul an, wo ich für die folgenden vier Wochen mitarbeiten und lernen wollte. Raxaul hält einige traurige Rekorde in Indien, darunter die größte Anzahl an HIV-Positiven und die höchste Säuglingssterblichkeitsrate.

Im Duncan Hospital wurde ich sehr herzlich empfangen. Der Kontakt zu einem australischen Medizinstudenten und einem Ehepaar - ebenfalls aus Australien - machte mir das Einleben zusätzlich sehr leicht.

Eine Woche vor meiner Ankunft war der stationäre Teil des Duncan Hospitals in ein neues Gebäude umgezogen, das im Vergleich zum alten Krankenhaustrakt sehr viel moderner gestaltet und ausgestattet war.

Daher konnte ich die Eingewöhnungsphase an die neuen Räumlichkeiten selbst miterleben. Der neue Gebäudekomplex verfügt über zahlreiche Stationen, verteilt auf zwei Stockwerken. Dazu gehören ein moderner OP-Bereich sowie ein großer Kreißsaal. Dort werden pro Jahr etwa 6.000 Kinder von nun an das Licht der Welt erblicken.

Im Krankenhaus habe ich viele interessante, aber auch traurige Erfahrungen gesammelt. Dazu gehört die Versorgung vieler, zum Teil sehr junger Patienten, die sich mithilfe von Organophosphaten das Leben nehmen wollten (Anmerkung der Redaktion: Organophosphate sind Toxine, die Herz, Lunge, den Magen-Darm-Trakt und das zentrale Nervensystem schädigen. Sie lösen Krampfanfälle aus, die im schlimmsten Fall zum Tod führen.).

Nachdem die Patienten stabilisiert waren, stellten wir ihnen psychologische und geistliche Hilfe zur Verfügung. Doch die Behandlung suizidgefährdeter Menschen stellt das Krankenhauspersonal - vor allem in dieser Region Indiens - vor große Probleme. Denn die psychologische Betreuung nach der Entlassung aus dem Duncan Hospital gestaltet sich äußerst schwierig. Zudem kehren die Patienten in dieselbe Situation zurück, aus der sie per Selbstmordversuch zu fliehen versucht hatten.

Am besten gefallen hat mir die Woche, in der ich mit den zahlreichen Projekten, die das Duncan Hospital in Raxaul und Umgebung selbst unterhält, in Berührung kam.

So besuchten wir ein Dorf, dessen Unabhängigkeit und Selbständigkeit mithilfe eines Projekts nachhaltig gefördert werden soll. Dieses Projekt lief schon seit geraumer Zeit und es zeichneten sich erste Erfolge ab.

Wir nahmen an einer Unterrichtsstunde für Frauen teil, die gerade lesen und schreiben beigebracht bekamen. Am Ende der Stunde hat jede Frau ihren Namen für uns auf Hindi aufgeschrieben. Das war ein sehr berührendes Erlebnis, da diese erwachsenen Frauen erst seit zwei Monaten lernten, ihre Namen zu schreiben.

Einer anderen Frau aus dem Dorf durften wir dabei zusehen, wie sie eine Vorsorgeuntersuchung bei einer Schwangeren durchführte. Dies hatte sie zuvor von Hebammen des Duncan Hospitals gezeigt bekommen. Auf diese Weise kann sichergestellt werden, dass die Schwangeren von Zeit zu Zeit untersucht werden. Im Falle von Komplikationen können die angelernten Dörflerinnen sie rechtzeitig ins Krankenhaus schicken.

Besonders gefallen hat mir zudem ein Projekt für Kinder mit Behinderung. Es wurde von einer kanadischen Physiotherapeutin ins Leben gerufen, die schon seit mehr als zehn Jahren in Raxaul tätig ist.

Die geistig oder körperlich behinderten Kinder werden regelmäßig von Projektmitarbeitern besucht, unterrichtet und physiotherapeutisch behandelt. Den Familien wird damit gezeigt, dass ihre Kinder wichtig und besonders sind. Zumeist ist der Besuch der Projektmitarbeiter ein ganz besonderes Ereignis für diese Familien.

Außerdem helfen die Projektmitarbeiter den Familien mit behinderten Kindern, an die Regierung Anträge auf Unterstützung zu stellen. Nur auf diese Weise kann dafür Sorge getragen werden, dass die betroffenen Familien die ihnen zustehenden staatlichen Hilfen auch in Anspruch nehmen können. Dies ist allerdings oft ein sehr langwieriger Prozess.

Insgesamt ist im Duncan Hospital - dem „Kokon“, wie es einer der Ärzte nannte - eine besondere Atmosphäre zu spüren. Sie ist von Respekt untereinander sowie gegenüber den Patienten geprägt. Trotz der zum Teil sehr schweren und belastenden Arbeiten sind alle sehr freundlich und herzlich zueinander.

Die Bezeichnung „Kokon“ trifft aus verschiedenen Gründen besonders gut auf das Duncan Hospital zu: Zum einen unterstreicht sie den besonderen Status des Krankenhauses, das einer Oase innerhalb der vergleichsweise armen Grenzstadt Raxaul entspricht.

Zudem stellt es eine Anspielung auf den Glauben dar, denn außer der Belegschaft der Klinik gibt es so gut wie keine Christen in diesem Teil Indiens. Das medizinische Personal des kleinen Missionskrankenhauses ist sozusagen umhüllt von Menschen einer anderen Glaubensrichtung - Hindus oder Moslems - und befindet sich in einer gesonderten Position.

Letztlich steht der Ausdruck aber auch für die Liebe, die Wärme, das Mitgefühl und den Respekt, den sich die Menschen an diesem Ort entgegenbringen. Das Motto lautet, die Liebe Gottes nicht nur durch Predigten, sondern vor allem durch das Vorleben, das „Beispiel-Geben“, zu zeigen und zu übermitteln.

Ich hatte eine sehr gute Zeit im Duncan Hospital, habe sehr viele besondere Menschen kennengelernt und viel von ihnen gelernt. Alles in allem bin ich sehr froh, dort gewesen zu sein.“