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Drei Tage ist es her, dass das humedica-Team in Ercis angekommen ist. Montagabend, am Folgetag des Erdbebens, erreichten wir das Katastrophengebiet und die Mediziner fuhren unmittelbar ihre erste Nachtschicht in Ambulanzwägen. Das Bild, das sich uns bot, war gespenstisch.

„Geisterstadt“ war der Gedanke, der mir als erstes durch den Kopf ging. Es gab keine Elektrizität, alle unversehrten Gebäude waren leerstehend, dunkel und verlassen. Die einzigen hell erleuchteten Stellen im Zentrum der Stadt waren die zahlreichen Trümmerhaufen, die einst imposante Gebäude waren - und in denen einst Menschen lebten.

Rettungskräfte arbeiteten in Schichten, um die Trümmer Stück für Stück abzutragen. Licht spendeten ihnen von Generatoren betriebene Scheinwerfer, in deren Schein sie unter Anspannung nach verschütteten Menschen suchten. Es herrschte eine Mischung aus konzentrierter Betriebsamkeit und hoffnungsvoller Stille.

Drei Tage später sind viele dieser Gesteinsberge verschwunden. Nachdem die Rettungsaktionen aufgegeben und die Bergungen abgeschlossen wurden, wird mit schweren Gerätschaften daran gearbeitet, die sichtbaren Folgen des Erdbebens der Vergangenheit angehören und etwas Neues entstehen zu lassen.

Vor den Trümmerhaufen saßen Freunde und Verwandte der unter den eingestürzten Gebäuden Verschütteten um Lagerfeuer herum, schauten in die Flammen und nahmen sich in die Arme. Zu sehen, wie ihnen ihre Hoffnung genommen wurde, wenn die Gewissheit kam, dass sie einen geliebten Menschen verloren hatten, war unvorstellbar grausam.

Die Geschäftigkeit der Bergungsmannschaften ist die gleiche wie die Nächte und Tage zuvor, nur dass die Angehörigen mit ihren Lagerfeuern aus dem Bild verschwunden sind. Man könnte es positiv sehen und davon ausgehen, dass ihre Verwandten oder Freunde lebend aus den Trümmern gerettet wurden.

Man könnte aber ebenso davon ausgehen, dass die Verletzungen der Menschen zu groß und ihre Überlebenschancen von Anfang an zu gering waren und sie unter den Trümmern starben. Ohne die Hoffnung auf eine Rettung hielt es auch die Angehörigen nicht mehr an dem Trümmerhaufen.

Ein Mann steht neben mir, schaut still mit mir auf eines der mehr als 50 eingestürzten Häuser. In brüchigem Englisch sagt er zu mir, dass unter diesen Trümmern noch sehr viele Leute begraben lägen. Lebend werde da wohl keiner mehr gerettet. Auf meine Frage, ob es sein Haus gewesen sei, schüttelt er den Kopf, hebt seine fünf Finger hoch, fasst sich ans Herz und zeigt ein Kreuz in die Luft.

Fünf geliebte Menschen hat er durch das Beben verloren, so verstehe ich diese Gesten. Während ich schlucken muss und auf das eingestürzte Gebäude schaue, fängt der Mann neben mir an zu weinen und läuft weiter auf seinem Weg durch die Stadt, der ihn nirgends hinzuführen scheint.

Prof. Dr. Bernd Domres, der als erfahrener Katastrophenmediziner im ersten humedica-Team mitgereist ist, sprach von einer 96-Stunden-Regel: „Bis zu 96 Stunden nach der Verschüttung bestehen gute, beziehungsweise reelle Chancen, dass ein Mensch aus den Trümmern lebend gerettet wird. Alles was danach passiert, kann schon als Wunder bezeichnet werden.“

Nach diesem traurigen Tag in den Trümmern der Stadt Ercis und gleichzeitig in den Trümmern der Leben zahlreicher Familien und Freunde von Verstorbenen, war ein Wunder genau das Richtige: am späten Nachmittag des Donnerstags wurden zwei Menschen lebend aus den Trümmern geborgen, unter ihnen ein junger Mann, der in die provisorische Klinik der Sporthalle gebracht wurde.

Ein trauriger und bedrückender Tag, der aber am Ende den Lichtblick zeigte, den es stets gibt. Lassen Sie uns gemeinsam den Menschen hier helfen, denen wir mit Ihren gezielten Spenden nach der medizinischen Katastrophehilfe mit Hilfsgütern ein Stück Hoffnung schenken können. Ich danke Ihnen von Herzen.

humedica e. V.
Stichwort „Erdbebenhilfe Türkei“
Konto 47 47
BLZ 734 500 00
Sparkasse Kaufbeuren

Sicher, schnell und direkt ist die Möglichkeit der sms-Spende: Textmitteilung mit Stichwort DOC an die 8 11 90. Von den damit gespendeten 5,- Euro fließen 4,83 direkt in die humedica-Katastrophenhilfe.