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Viele Schreckensgeschichten gab es im Laufe der Zeit über die Zustände im Flüchtlingslager Moria auf der Insel Lesbos. Im September dieses Jahres brannte es lichterloh. Inzwischen wurde das neue Lager Kara Tepe aufgebaut. Ist die Situation dort besser?

„Für mich war es ein Wechselbad der Gefühle“, erzählt humedica-Einsatzkraft Rebecca, die seit einigen Wochen auf der Insel Lesbos das Team unserer Partnerorganisation Bootvluchteling (Boat Refugee Foundation) bei seiner medizinischen Hilfe unterstützt. Auf den Einsatz hat sie sich natürlich vorbereitet, viele Geschichten aus dem Lager Moria gehört und gelesen.

„Ich war auf eine schlimme Situation gefasst“, erinnert sie sich. „Als ich dann vor Ort ankam, war ich zunächst sogar etwas positiv überrascht. Das Lager, in dem im Moment ungefähr 7500 Flüchtlinge leben, wirkte auf mich strukturiert.“ Trotzdem ist das Leben für die Geflüchteten dort hart und teils sogar schlimmer als in Moria: Das neue Lager liegt direkt an der Küste. Vor allem in den Wintermonaten weht hier ein eisiger, stürmischer Wind. Die Zelte, in denen die Menschen leben, können diesen Bedingungen nur schlecht standhalten. Nachts frieren dann viele, Möglichkeiten sich aufzuwärmen gibt es allerdings kaum.

Die Einsatzkräfte versuchen so gut es geht auf die Situation und die Patienten einzugehen. Auf diese Weise kommen auch tieferliegende Probleme der Menschen zutage: Viele Patienten kommen mit vermeintlich körperlichen Beschwerden, die sich im Laufe der Behandlung als psychische Traumata herausstellen. „Diese Menschen merken bei der Untersuchung: Da ist jemand, der mich sieht und der mir zuhört, ohne über mich zu urteilen. Sie erzählen dann manchmal ihre ganze Lebensgeschichte. Es ist unglaublich, was sie alles aushalten mussten“, beschreibt Rebecca.

Auch Corona verschlimmert die psychische Gesundheit der Menschen im Camp: „Vor Corona gab es Hilfsorganisationen, die Gruppensprechstunden angeboten haben. Das geht jetzt aber nicht mehr“, erklärt Rebecca. Stattdessen gibt es Einzeltherapien mit langen Wartelisten, die nur den schwersten Fällen vorbehalten sind. Die nationale Ausgangssperre, die seit dem 7. November in Griechenland gilt, schränkt die Bewohner des Lagers zusätzlich ein.

Auch das ist ein Grund, warum das psychosoziale Angebot gestärkt werden soll. „Aktuell versorgen wir die Menschen in der Abendschicht. Nun überlegen wir aber zusätzlich eine Folgesprechstunde am Nachmittag für diejenigen anzubieten, bei denen wir nicht nur körperliche Beschwerden festgestellt haben“, erzählt Rebecca.

Und wie geht es ihr mit diesen belastenden Erzählungen? „Diese Lager, diese Geschichten: Das sind Dinge, von denen wir wissen, dass sie existieren. Aber im Alltag blenden wir es gerne ein bisschen aus“, sagt sie. Deswegen ist es ihr wichtig zu erzählen, wie es den Menschen im neuen Lager Kara Tepe geht – damit sie auch für andere sichtbar werden.

Denn so gerne Rebecca vor Ort hilft – bei einem ist sie sich sicher: „Eigentlich sollte es uns gar nicht geben müssen.“

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