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In den Gefängnissen vieler Entwicklungsländer sind eine faire Rechtsprechung und optimistische Zukunftsperspektiven nur seltene Gäste. Die hoffnungslos überbelegten Strafanstalten, zwingen die Menschen zu einem Leben unter katastrophalen Hygieneverhältnissen und fehlender Privatsphäre. Eine ärztliche Versorgung existiert in der Regel nicht.
Um den Inhaftierten ein Stück ihrer Würde zurückzugeben und die realen Krankheiten zu behandeln, entsendet humedica mehrmals im Jahr Teams mit ehrenamtlichen Medizinern in die weltweiten Projektländer. Zuletzt machte sich ein Einsatzteam auf den Weg nach Togo, um Menschen in verschiedenen Gefängnissen des Landes zu helfen. Mit dabei war auch Medizinstudentin Susanne Hausmann aus Tübingen:
„Gemeinsam mit meinen acht Teamkollegen von humedica machte ich mich Mitte Oktober auf den Weg nach Westafrika, um im Kleinstaat Togo medizinische Hilfe für Strafgefangene zu leisten. Unsere Gruppe setzte sich aus fünf Ärzten und drei Pflegern zusammen. Mit mir als Medizinstudentin und „Küken“ war das Team dann komplett.
Unsere Ankunft in der Hauptstadt Lomé wurde von unseren Projektpartnern bereits freudig erwartet. Es besteht eine jahrelange, freundschaftlich geprägte Zusammenarbeit mit der Organisation Prison Fellowship Togo (PF) unter der Leitung von Pastor Anani Martin und Omi Eric Agbokou. Das Rückgrat von PF Togo bilden zahlreiche ehrenamtliche Mitarbeiter, von denen uns einige auf unserem Einsatz begleiteten. Wir sind gekommen, um zwei Wochen lang medizinische Hilfe zu leisten – sie setzen sich das ganze Jahr für bessere Haftbedingungen in Togo ein.
Die Hauptstadt Lomé war unser Ausgangspunkt. Von dort aus führte uns eine lange Route bis in den Norden und wieder zurück. Unsere Fahrten zu den Haftanstalten waren teilweise sehr holprig und abenteuerlich. Wir saßen eingepfercht in zwei Kleinbussen mit lauter Gospelmusik und singenden Togolesen und mussten teilweise stundenlang fahren, um die nächste Zielstadt zu erreichen. Jedoch bot sich dabei die Gelegenheit, Togo und seine Menschen kennenzulernen.
Auf dem Weg sahen wir zahlreiche Häuser und Bauten aus der Kolonialzeit, die an die deutsche Vergangenheit des ehemaligen „Schutzgebietes“ erinnerten. Mit der Kolonialisierung wurde Ende des 19. Jahrhunderts auch der christliche Glauben ins Land gebracht. Heute bekennen sich rund 29 Prozent der Einheimischen zum Christentum und 20 Prozent zum Islam. Daneben spielen besonders Naturreligionen wie der Voodoo-Kult eine zentrale Rolle und verbreiten bis heute viel Angst und Schrecken unter den Menschen.
In den Gefängnissen fanden wir neben den landesüblichen Infektionskrankheiten wie Lungenentzündungen, Malaria und Harnwegsinfekten besonders viele Hauterkrankungen vor. Da die Häftlinge auf sehr engem Raum leben und schlafen müssen, sind viele Gefängnisse regelrecht mit Hautpilzen und Krätze verseucht. Vor unseren Ärztetischen und der Apotheke bildete sich schnell eine Warteschlange, die nicht zu enden schien. Auch der Einfluss der Voodoo-Religion war allgegenwärtig. Viele der Gefangenen trugen Narben von zahlreichen Schnittwunden, die ihnen in der Kindheit zugefügt wurden, um sie vor dem unheilvollen Einfluss der Ahnen zu schützen. Für uns war es unvorstellbar, welche Ängste diese Menschen Tag für Tag plagen.
Wenn ich von einem Einsatz mit humedica zurückkomme, fragen mich die Leute oft: „Na, wie war es?“ oder „Findest du, dass es sich gelohnt hat?“. Manchmal fällt es mir schwer, auf diese Fragen zu antworten. Es gibt so viele befriedigende Momente, in denen die Dankbarkeit der Patienten offenkundig wird. Zum Beispiel wenn ein Strafgefangener seinen Augen nicht trauen kann, weil er durch seine neue Brille blickt und zum ersten Mal seit vielen Jahren wieder scharf sehen kann. Oder wenn wir als Gruppe ein Gefängnis betreten und hunderte Menschen sich fröhlich klatschend im Innenhof versammeln, um ein gemeinsames Begrüßungslied für uns anstimmen.
Aber es gibt auch sehr frustrierende Situationen für uns. In zwei Haftanstalten, die wir besucht haben, war der Krätzebefall so schwerwiegend, dass unsere Medikamente nicht gereicht haben. Wir mussten Menschen wegschicken, die unter schlimmstem Juckreiz leiden und voller Hoffnung zu uns gekommen sind.
Es ist wichtig, sich darüber im Klaren zu sein, dass man innerhalb zwei Wochen nicht sämtliche medizinischen Probleme in den Gefängnissen lösen kann. Doch der Erfolg unseres Einsatzes lässt sich auch nicht an Behandlungszahlen oder ausgehändigten Medikamenten messen. So einfach ist das nicht. Wir wissen inzwischen, dass viele Menschen in Togo seit Jahren inhaftiert sind, ohne dass jemals ein fairer Strafprozess stattgefunden hat.
Sie erzählen uns, wie sie sich nachts in der Hocke an die Wand lehnen müssen um zu schlafen, weil so viele Menschen auf engstem Raum eingepfercht sind. Jede weitere Frage nach dem Sinn unseres Einsatzes erübrigt sich für mich deshalb. Ja, es hat sich gelohnt. Für jeden Einzelnen von ihnen und für jeden Einzelnen von uns.“