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Ruth Bücker arbeitet im Bereich Öffentlichkeitsarbeit in der humedica-Hauptzentrale in Kaufbeuren. Seit einigen Tagen koordiniert sie die Medienarbeit in Haiti, produziert wertvolles Material und schreibt ein Tagebuch.
Für mich war heute ein ereignisreicher Tag, unmittelbar nach einer ereignisreichen Nacht. In unserem Compound gibt es einen ungeliebten und ungebetenen Gast: Mister Hahn. Mister Hahn hat kein Zeitgefühl, beziehungsweise ein verkehrtes oder zumindest seltsames, denn er fängt um drei Uhr nachts mit dem Krähen an.
An seine Weckrufe ignorierend gewöhnt und gerade wieder eingeschlafen, hat es angefangen zu regnen. Aber es ist doch erstaunlich, wie schnell solche Dinge unwichtig erscheinen. Ich nehme an, es liegt daran, dass ich mir der schlimmen Lage der Menschen hier bewusst bin. Und dagegen sind ein Hahn und Regen vernichtend klein.
Aber gut, heute morgen sind Christian und Simon nach Leogane gefahren, unser medizinisches Team ist ins Krankenhaus zur Behandlung der Patienten gegangen und ich habe Florian begleiten können.
Florian ist als Koordinator der Logistik für humedica in Haiti. Es ist komisch, in einem Land, in dem es den Menschen an grundlegenden Dingen fehlt, einen Fahrer zu haben. Aber schnell wurde mir klar, dass dies unausweichlich ist. Die Straßenregeln hier sind einfach: wer am lautesten hupt, hat Vorfahrt. Selbst als Beifahrerin habe ich den ganzen Tag dafür benötigt, mich an dieses Gesetz zu gewöhnen.
Wir haben uns heute mit Mitarbeitern der Hilfsorganisation GAiN getroffen um Babynahrung zu verteilen. Bereits vor meiner Abreise wurde sehr viel darüber berichtet, dass sich die Lage hier in Port-au-Prince zugespitzt habe und die Menschen aus ihrer Verzweiflung heraus zornig und aggressiv werden.
Leider viel zu selten habe ich etwas darüber gehört, gelesen oder gesehen, wie friedlich die Menschen hier aber auch sind, wie offenherzig und freundlich. So waren Familien mit ihren Kindern heute gegenüber uns.
Sie warteten geduldig und verständnisvoll darauf, dass sie mit der Grunduntersuchung und dem Empfangen der Baby-Gläschen an der Reihe waren. Die Kinder bestaunten mich komische weiße Frau mit Sonnenbrille neugierig und interessiert.
Als sie meinen Fotoapparat sahen, stellten sie sich besonders auf, lächelten in die Kamera und waren begeistert, sich selber auf dem Display zu sehen. In all ihrem Elend, ihrem Verlust und der Zerstörung freuten sie sich über ein Foto – das war einfach nur schön für mich.
Und auch die Mütter und Väter waren uns gegenüber in keiner Weise verärgert oder gar aggressiv gestimmt. Sie stimmten freudig zu, von ihnen und ihren Kindern Photos zu machen und lächelten die meiste Zeit.
Insbesondere die Kinder schenkten mir heute sehr viel Freude. Sie lachen, stehen am Straßenrand und winken mir zu und erfreuen sich an Kleinigkeiten. Und ich freue mich bereits sehr auf morgen. Für nachmittags ist geplant, in einem Fußballstadion in Carrefour weitere, dringend benötigte Babynahrung zu verteilen.
Ob der Plan, den wir heute für den morgigen Tag gemacht haben, auch tatsächlich umgesetzt werden kann, ist jeden Tag aufs Neue eine Überraschung. So viele Dinge passieren und bringen alles durcheinander: der Fahrer erscheint nicht, das Auto bleibt liegen, ausgemachte Termine werden verlegt… Hier in Haiti entscheidet der nächste Tag, ob alle Pläne realistisch sind.
Aber ich denke, dies ist eine Erfahrung, die mich persönlich sehr prägen wird und an der ich viel lernen kann. Und mit dieser Einstellung werde ich mich jetzt in mein Moskitozelt legen, schlafen, um morgen Früh, pünktlich um drei Uhr wieder unseren Freund, Mister Hahn, begrüßen zu können.
Es grüßt Sie herzlich aus Port-au-Prince
Ihre
Ruth Bücker
PS: Vielen Dank für Ihre Unterstützung. Es ist beeindruckend zu sehen, wie Ihre Hilfe Haiti erreicht.